Marshall McLuhan
Arbeit maß.
Jedwede Vereinfachung ist sensationell.
G. K. Chesterton
Die Veröffentlichung der Braut
Also machte Marshall sich in Toronto mit aller Kraft daran, der Massenkultur seinen Namen aufzudrücken. 1951 veröffentlichte er
Die mechanische Braut
. Der Titel bezieht sich auf das berühmte Kunstwerk von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1912,
La marieé mise à nu par ses célibataires, même
(Die Braut wird von ihren Junggesellen entkleidet, sogar), eine große zweiteilige Glasskulptur, deren Thema die Erotisierung der Maschine ist. Als Marshall das Buch schrieb, war die Skulptur wahrscheinlich das bekannteste Avantgarde-Kunstwerk des 20. Jahrhunderts, nach der ebenfalls von Duchamp stammenden
Fontaine,
einem signierten Urinal. Der Titel war eine Kritik am neuen Status der Maschine und daran, wie sie verkauft wird – die mechanische Braut ist das Auto als Objekt der Begierde in einer Welt, in der wir von der Mechanisierung verführt wurden und mit ihr eine Ehe eingegangen sind.
Das Buch war eine Zusammenstellung neuer und bereits veröffentlichter Tiraden und Spitzen gegen die westliche Medienkultur, ein mittelalterlicher katholischer Fluch gegen Hollywood und die Madison Avenue. Es wurde als großes Hardcover veröffentlicht, haptisch den Büchern von Dr. Seuss (einem amerikanischen (Kinderbuch-)Autor und Cartoonist) nicht ganz unähnlich. Die Texte standen meist neben den Anzeigen, von denen sie inspiriert waren, und waren in keiner bestimmten Reihenfolge angeordnet. Wie in vielen seiner Bücher hatte Marshall die einzelnen Essays einfach mosaikförmig nebeneinander gestellt, so dass man als Leser nach Lust und Laune einen Blick hineinwerfen konnte, wie auf einer Website.
Die mechanische Braut
war Dagwoods Tag – der Tag seiner Hinrichtung, wenn es nach Marshall gegangen wäre. Heute wirkt das Buch wahlweise abgedroschen, vorausschauend, geistreich, brillant, anmaßend oder delirierend. Es ist in einer Medienwelt angesiedelt, wie sie vielleicht Salingers Holden Caulfielderlebt hätte, und genau wie Caulfield sieht Marshall überall Scheinheiligkeit und Übertreibung. Fast sechs Jahrzehnte nach seinem Erscheinen ist in der westlichen Gesellschaft jeder ein Kritiker, und jeder hat Theorien über Fernsehen, Film und Werbung. Was
Die mechanische Braut
so magisch macht, ist, dass McLuhan wohl der erste Metakritiker auf der Welt war. Manche seiner Seitenhiebe mögen etwas plump sein, aber sie stehen für den ersten Moment der Moderne, als der Schnabel durch die Eierschale stößt. Das Buch stellt so etwas wie eine Geburt dar.
Anfangs wurden nur ein paar hundert Exemplare verkauft, aber seitdem wurde es in etlichen Auflagen nachgedruckt. Die Veröffentlichung markiert außerdem den Zeitpunkt in Marshalls Karriere, nach dem er sich von den materiellen Produkten der Konsumgesellschaft abwandte. In seiner Faszination dafür, wie Worte und Bilder miteinander verschmelzen, um Konsumgüter zu verkaufen, bietet das Buch eine neue Sicht auf Kommunikationsformen und ihre unterschwelligen Botschaften. Von da an bewegt sich McLuhans Arbeit schrittweise von der materiellen Kultur der technologischen Welt zu ihren Massenmedien und der elektronischen Dimension, in der sie sich inzwischen bewegen. So kennzeichnet
Die mechanische Braut
das Ende von Marshalls Fokussierung auf den Inhalt, also das,
was
gesagt wird, und eine Hinwendung zu dem,
wie
es gesagt bzw. auf welche Weise Inhalt in die Welt hinausgetragen wird, sei es über gedruckte Schrift und das phonetische Alphabet (
Die Gutenberg-Galaxis
, 1962) oder im Fernsehen (
Understanding Media
, 1964).
Eine Kommerzgesellschaft, deren Mitglieder in ihren sozialen Ritualen im Wesentlichen asketisch und gleichgültig sind, muss mit genau ausgearbeiteten Verhaltensvorgaben versorgt werden, um bei jeder Gelegenheit den richtigen Ton zu treffen.
M. M.
Werbung ist die Höhlenmalerei des 20. Jahrhunderts.
M. M.
Werbung ist ein Striptease-Environment für eine Welt des Überflusses.
M. M.
The Mechanical Bride: Folklore of Industrial Man 19
MCLUHAN, Herbert Marshall.
Anbieter Adresse: London, England
Bewertung: 4 Sterne
Preis: US$ 3450,00
Buchbeschreibung:
New York: Vanguard Press
1951
Quart, 157 S.
Erstausgabe von McLuhans erstem Buch, Auftakt zu einer der exzentrischsten intellektuellen Karrieren ihrer Zeit, deren Erkenntnisse zum Teil zu fehlinterpretierten Gemeinplätzen wurden bzw. immer noch als radikale Feststellungen über eine technologisierte Medienkultur
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