Marshall McLuhan
verbreitet war, erreichte es nun auch Nordamerika und besiegelte das Ende des Fernschreibers. Die Preise fingen bei $ 1500 an und gingen dann schnell in die Höhe. Ich erinnere mich an einen Anzeigenvertreter, der in unser Großraumbüro kam und sagte: »Faxe sind das neue Ding! Könnt ihr euch nicht irgendwas Cooles dafür ausdenken? Wir müssen Anzeigen verkaufen.«
Mein Job war es also, mir coole Ideen für Faxe auszudenken. Ich fand schnell heraus, dass es nicht einfach ist, ein Fax interessant zu machen. Schließlich versuchte ich es mit dem Celebrity Fax of the Month. Das erste war ein Kussmund des kanadischen Supermodels Linda Evangelista auf einem Briefpapierbogen des Hotel George V in Paris. Es sah toll aus, und wir ließen es in ganzer Größe allein durchlaufen. Das nächste Fax war eineFotokopie von einem Eishockey-Puck mit dem Autogramm eines frisch gesignten sowjetischen NHL-Spielers. Es kam aus der kanadischen Botschaft in Moskau. Danach waren Pizzastücke von Wolfgang Puck aus Los Angeles dran. (»Letzten Monat gab es einen Eishockey-Puck. Diesmal bekommt ihr Wolfgang Puck.«)
Nach ein paar Monaten gingen uns allerdings allmählich die Ideen aus. Irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich den Bürgermeister von Halifax, Nova Scotia, bat, mir einen Brief zu faxen, in dem stand, wie stolz er sei, Bürgermeister »einer Stadt zu sein, deren Name das Wort ›Fax‹ enthält, das Tollste an Bürotechnik seit der Erfindung des Kopierers.« Der Bürgermeister war so liebenswürdig, mir den Brief zu schicken. Indessen wurde ich auf meiner Suche nach lustigen Faxideen immer verzweifelter. Dann hatte ich einen Einfall. An einem kalten, trüben Nachmittag im Januar 1989 fuhr ich erst eine Stunde mit der U-Bahn und dann noch ein Stück mit dem Bus zu einem katholischen Friedhof nördlich von Toronto. Die zugefrorene, schneefreie Erde und die Bäume sahen aus wie aus Zement, und der Wind pfiff schrill, wie er es nur in Kanada tut. Mir war eiskalt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so kalt sein würde. Ich sprach mit dem Friedhofsverwalter, der mir einen Plan gab und mir erklärte, wie ich zu McLuhans Grab käme. Zwanzig Minuten später hatte ich es gefunden – unter zehntausend anderen, ganz bescheiden in einer unauffälligen Ecke. Auf dem Stein stand in Computerschrift:
Ich hatte Graphit und Papier dabei und machte mehrere Abdrücke, aber schon nach wenigen Minuten zwang mich der kanadischeWinter wieder zu gehen. Mit meiner Ausbeute in der Hand lief ich zur Bushaltestelle. Meine Idee war es, den Abdruck über eine Reihe von Faxgeräten durch die ganze Welt zu schicken, und es funktionierte. Von Toronto sendete ich Marshalls Grabinschrift an die Internationale Fernmeldeunion in Genf. Die wiederum faxten sie weiter an die Redaktion von
The Sydney Morning Herald
in Australien. Von dort aus ging das zunehmend unleserliche Fax an das japanisch-amerikanische Institute of Management Science in Honolulu (meine Alma Mater), dann an das
Utne Reader
-Magazin in Minnesota und von dort aus zurück nach Toronto. Die Inschrift war immer noch zu erkennen, und darunter waren die Stationen der Reise angeheftet. Aber warum Marshall McLuhans Grabstein? Ganz einfach, weil ich dachte, er hätte seinen Spaß daran gehabt. Wie sehr ich mich doch irrte. Ich bin sicher, der Mann hätte Faxgeräte genauso verabscheut wie alles andere Neue.
Aus heutiger Sicht, zwei Jahrzehnte später, ist vielleicht entscheidender, dass die Fahrt zum Friedhof Unmengen von Zeit und Energie kostete. Das Wetter war grausig, ein typischer kanadischer Tag. Kanada ist ein kaltes Land, die Entfernungen sind enorm. Kommunikation ist harte Arbeit, und die Kanadier müssen sich mehr als andere anstrengen, um miteinander in Verbindung zu treten. Und wenn sie sich in ihrem trauten Heim verbunkern, geschützt vor dem eisigen Wind, fällt es Kanadiern auch schwerer, über die abstrakte Bedeutung von Kommunikation nachzudenken. Amerikanern, Russen und Skandinaviern ergeht es nicht unbedingt anders, aber was die Bevölkerungsdichte betrifft, liegen wir am weitesten auseinander und müssen am härtesten dafür arbeiten, und aufgrund unserer Geschichte haben wir kein übergeordnetes Glaubenssystem, das uns vorschreibt, was wir denken sollen. Wenn man also an einem kalten kanadischen Tag mit einem Schneeball beworfen wird, ist das Medium allerdings Teil der Botschaft. Dasselbe gilt für Rauchsignale, Kreidezeichen von Hobos und Anrufe aus einem AirCanada
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