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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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...«
    »Das ist schon einmal so, liebes Kind – die Untugend eines Gatten gibt der Frau kein Recht, ihren eigenen Ruf aufs Spiel zu setzen ... Wenn es in der Welt hieße, daß dieser junge Bresser –«
    »In der Welt, in der Welt! ... das ist doch nicht das höchste, diese »Welt, in der es heißt« – diese blöde, widerspruchsvolle, ungerechte Welt, in deren Vorurteilsnetzen auch meine sonst so gedankenkühne Mutter gefangen ist – –«
    »Aber Sylvia!«
    »Ja, ja – den Militarismus, also das, worauf unsere ganzen Staaten ruhen, das, was unserer Fürsten Lieblingsbesitz und unserer Adelsfamilien Existenzgrundlage ist, das möchtest Du nur so wegblasen. – Die himmelschreiende Ungerechtigkeit aber in der Gesellschaft, mit Bezug auf die Pflichten von Mann und Frau, die siehst Du nicht – da soll man sich fügen, da sagst Du, »es ist schon einmal so« ... Der Mann mag Liebschaften haben, soviel er will – ohne auch nur den Schein zu wahren, die Frau aber soll alles dulden, muß ihr Herz und ihre Sinne ersticken, ihrem Glück entsagen – nur damit die famose »Welt« nicht tuschelt ... eine Welt noch dazu, die ihre Gesetze nicht einmal einhält, sondern täglich im Geheimen übertritt – geheim muß es nur sein ... Nein, Mutter, siehst Du nicht ein, daß da ein Unrecht, eine Knechtschaft herrscht, die mit den andern Formen von Sklaverei und Unglück sich messen kann, gegen die Du Dich auflehnst, wie es mein Vater getan und wie Rudolf es tut!«
    Martha war betroffen. In dieser Richtung hatte sie in der Tat niemals einem auflehnenden Gedanken Raum gegeben. Sie antwortete nichts. Da sie ihrer Entrüstung Luft gemacht, fühlte sich Sylvia wieder ruhiger. Sie stand auf und ging zu ihrer Mutter hin:
    »Im übrigen, Mama«, sagte sie, indem sie den Arm um Marthas Schulter legte, »sei mir nicht böse, und sei nicht besorgt. Ich habe mir wirklich nichts vorzuwerfen – aber von Anton lasse ich mir nichts befehlen.«
    »Und von mir nichts predigen?«
    »Auch das nicht, liebste Mutter. Ich kann und will allein fertig werden mit meinem Herzen und meinen Pflichten.«
    »So gibst Du zu, daß Du Pflichten hast?«
    »Die hat jeder – es kommt nur darauf an, gegen wen –«
    »Du meinst, gegen sich selber?«
    »Reden wir jetzt von anderen Dingen, bitte. Was hörst Du von Rudolf?«
    Martha blieb nicht lange. Die Erregung und die Worte ihrer Tochter hatten sie erschüttert. Über die Sache weiter zu reden, nachdem Sylvia erklärt hatte, sie wolle allein mit sich fertig werden, ging nicht gut an und von anderen Dingen zu sprechen, war sie nicht aufgelegt. Also brach sie ihren Besuch vorzeitig ab.
    Kaum war sie einige Minuten fort, als der Diener meldete:
    »Herr Bresser.«
    Sylvia mußte einen Aufschrei unterdrücken. Eine warme Woge schwellte ihr das Herz. Nach dem Vorgefallenen hätte ihr keine Nähe zugleich verwirrender und teurer sein können, als die Nähe des jungen Dichters. – Nach drei Seiten Bretterwände mit Nägeln und Mauern mit Glasscherben und nur eine Seite frei, wo ein lichtübergossener Pfad hinausführte aus all dem Dunkel und auf diesem Pfad – bereit, ihr das Geleit zu geben: Hugo Bresser. So empfand sie in dieser Minute.
    Hätte er seine Arme geöffnet – sie wäre hineingesunken und hätte dabei nicht den geringsten Skrupel gehegt, daß dies etwa nicht »in Reinheit« geschehen.
    Er aber, förmlich wie immer, verbeugte sich, und die kleine zitternde Hand führte er respektvoll an seine Lippen. Er bemerkte ihre Blässe und ihren ungewohnten Ausdruck.
    »Sind Sie nicht ganz wohl, Gräfin?«
    »O ja, ganz wohl. Setzen Sie sich, bitte.«
    Er gehorchte. »Ich täusche mich nicht, Gräfin Sylvia, Sie sind in einer außergewöhnlichen Gemütsverfassung ... doch, ich habe keinen Anspruch auf Ihr Vertrauen.«
    Sie antwortete nichts. Nach einer Weile sagte er leise:
    »Sie sind nicht glücklich ...«
    Und sie noch leiser: »Nein, nein, nein – glücklich bin ich nicht.«
    »Sylvia!«
    Zum ersten Male nannte er sie so. Sie schauerte, doch sie rügte es nicht. Sie hob nur die Augen und schaute ihn tief und rätselhaft an. Unter diesem Blicke erschauerte nur er, und das lang zurückgehaltene Geständnis drängte sich hervor:
    »Sie wissen doch, nicht wahr, Sie wissen es, daß –« Sylvia erriet an seinem Gesichtsausdruck, an dem Ton seiner Stimme, was jetzt kommen sollte und sie unterbrach ihn mit einer heftig abwehrenden Handbewegung:
    »Ich weiß, ich weiß – ich will's aber nicht hören ... nicht

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