Martha's Kinder
überrascht. Toni hatte nicht die Gewohnheit, seiner Schwiegermutter ohne Anlaß Besuche zu machen und unter den obwaltenden Umständen war der Anlaß vermutlich ein unerfreulicher.
Und richtig. »Ich bin gekommen«, sagte er nach der ersten Begrüßung und nachdem er sich gesetzt, »um in einer recht peinlichen Angelegenheit –« Er stockte. Martha kam ihm nicht zu Hilfe. Sie blickte nur fragend auf. »Sylvia wird Dir ja neulich gesagt haben«, hub er wieder an, »was es zwischen uns für eine Auseinandersetzung gegeben ... »Ich möchte wissen, was sie Dir erzählt hat und was Du ausgerichtet hast... Du bist doch gewiß auch dafür, daß dieser Sache mit dem Herrn Theaterdichter ein Ende gemacht werden soll –«
»Welcher Sache?«
»Ach, tu' doch nicht so... Weißt Du denn nicht, daß die Leute schon reden – ?«
»Die Leute reden mancherlei. Auch über Dich.«
»Das hat mir Sylvia auch geantwortet – als ob es dasselbe wäre, was man von einem Mann erzählt, oder von einer Frau. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied ...«
»Die Ungerechtigkeit dieses Unterschieds fängt mir zu dämmern an.«
»Es ist schon so.«
»Ja, mit diesem Satz glaubt man allen Widerspruch abzuschneiden ... ich hab' ihn auch angewendet. Aber man sollte eher sagen: es ist noch so. Doch es wird nicht so bleiben. Der Anspruch der Frau auf die Treue ihres Gatten wird –«
»Was?« unterbrach Delnitzky, »auch Du? – Du nimmst Dich um die »Ansprüche« der Frauen an? – Bist Du unter die Frauenrechtlerinnen gegangen? Von der Seite kenne ich Dich gar nicht... Hast Dich, Gott sei Dank, dieser sogenannten Bewegung immer ferngehalten.«
»Weil man nicht überall mittun und mitsprechen kann. Du weißt, daß eine andere »sogenannte Bewegung« mir Herz und Sinn ausfüllt.«
»Na ja, die ist aber – weil ganz aussichtslos – auch harmlos, während die verflixte Frauenfrage schon ganz bedenkliche Dimensionen annimmt – neulich haben sie sogar schon einen weiblichen Doktor promoviert. Aber das hat ja im Grunde nichts damit zu tun, was ich mit Dir besprechen wollte, Mama.«
»Und was war das?«
»Einfach dies: Du mußt mir helfen, den Bresser aus Sylvias Nähe zu verbannen.« Martha machte eine Bewegung. »Du brauchst nicht zu erschrecken«, fuhr er fort, »ich glaube ja gar nicht, daß sie in den Menschen verliebt ist, aber er schwärmt für sie und, wie gesagt: die Leute munkeln – und das kann ich nicht zugeben.«
»Und wie, wenn sie ihn liebte?«
»Aber Mama – um Gotteswillen...!«
»Hast Du ihr denn geboten, was eines jungen Weibes Anspruch an das Leben ist? – Hast Du ihr Liebe gegeben? Und Treue gewahrt? ... Toni, ich habe nie über diese Dinge mit Dir gesprochen, weil ich finde, daß eine Schwiegermutter sich solcher Einmengung enthalten soll, aber heute warst Du es, der den Gegenstand – Euer eheliches Verhältnis – zur Sprache gebracht hat, und da kann ich mich nicht enthalten, Dir zu sagen: wenn dieses Verhältnis zerstört und bedroht ist, so liegt die Schuld an Dir.«
Delnitzky sprang auf: »Ich sehe schon, an Dir habe ich keine Stütze ... Ich werd' mit dem sauberen Herrn allein fertig werden müssen. Es wird mir doch nicht schwer fallen, ihn beim Rockkragen zur Tür hinauszuexpedieren.«
»Mäßige Dich doch! Gerade auf diese Weise würdest Du den Eklat herbeiführen, den Du zu fürchten scheinst.«
»Was soll ich also tun? Zuschauen, wie meine Frau einen Liebhaber –«
»Schweig'! So zu sprechen hast Du kein Recht. Für Sylvias Reinheit stehe ich ein. Aber sie sollte nicht länger zuschauen, daß Du Deine Geliebte, diese –«
»Willst Du etwas Beleidigendes sagen?« unterbrach Delnitzky, »vielleicht weil sie beim Theater ist?«
»O nein, aber weil sie das Eigentum einer anderen entwendet hat.«
»Damit meinst Du mich? Glaub' mir, auf dieses Eigentum hat Deine Tochter nie viel Wert gelegt. Du weißt gar nicht, wie kalt und abstoßend sie zu mir war – gleich nach unserer Hochzeitsreise. Wir passen nicht zusammen.«
»So gehet denn auseinander ...«
»Scheidung? Wir leben in einem katholischen Land... Freilich, man könnte ungarischer Staatsbürger werden...«
»Die Idee scheint Dir nicht zu mißfallen?«
»Ach Gott, es sind da tausend Schwierigkeiten und ich hasse Schwierigkeiten ... Du willst also nichts tun, um Sylvia auf den Pfad der Pflicht zu lenken?«
»Auf den von Dir verlassenen? Ich will überhaupt nichts tun, Anton – weder für, noch gegen Dich. Wenn Sylvia meinen Rat erbittet,
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