Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
Armeeverband scheiden müssen.«
    »Und eine solche Schand' – die wollens so gleichmütig hinnehmen?«
    »Ich habe mir das Recht, zu sagen was ich will, schon sehr hoch bezahlt, in dem ich auf das Majorat verzichtete – da kommt es auf einen Verzicht mehr oder weniger nicht an. Als Schande empfinde ich die Freiheit nicht. Ich werde eines Ranges für verlustig erklärt, der mich zwingen soll, Dinge mit anzusehen, die ich verurteile. Diese Verlusterklärung ist berechtigt, aber sie beschämt mich nicht. Wäre es möglich, einfach seinen Austritt aus der Reserve anzumelden, so hätte ich es getan, da das aber nicht angeht, so –«
    »Aber Dotzky – bist Du denn ganz verrückt«, unterbrach der Minister, in das verwandtschaftliche Du zurückfallend – »ist die Geschichte mit dem Majorat wirklich wahr? Ich hab's nicht glauben wollen.«
    »Ja, ich will ungebunden sein.«
    »Das ist ja niemand auf der Welt. – Jeden binden Pflichten – von unserem allerhöchsten Kriegsherrn angefangen, an dessen Pflichttreue jeder sich ein Beispiel nehmen kann.«
    »Gewiß. Aber auch ich habe nur aus Pflichtbewußtsein gehandelt.«
    »Und was in aller Welt willst Du denn mit solchen revolutionären Schriften erreichen? Ich habe meinen Augen nicht getraut, wie ich's durchgeblättert hab'.«
    »Ich bin nicht revolutionär. Ich sage, was schlecht ist in unserer Gegenwart und was gut werden könnte in der Zukunft. Ich sage aber nicht, daß der Weg vom schlechten Alten zum guten Neuen über die Revolution führt. Von Gewalt will ich nichts wissen weder von oben, noch von unten. Nicht eine Zeile wird in diesen Schriften zu finden sein, die zu irgend einer Gewalttätigkeit aufreizen will.«
    »Und ich sage Dir, es ist nicht eine Zeile darin, vom Titel angefangen, die nicht Auflehnung bedeutet. Verbrechen der Kulturmenschheit. Mein Amt ist auch ein Stück unserer Kultureinrichtungen ... Bin ich ein Verbrecher? ... Kurz, Sie haben sich unmöglich gemacht. – Ich hätte Sie für gescheiter gehalten. Wissen Sie denn nicht, daß ein Soldat nicht offene Kritik üben darf an Dingen wie die Gesellschaftsordnung oder gar das Militär selber?«
    » Wer darf also Kritik üben – da bei der allgemeinen Wehrpflicht jeder Mann Soldat sein muß – nur Frauen, Kinder, Greise und Krüppel? Und da faselt man von Freiheit –«
    »Du hast furchtbar vertrakte Ideen. Aber schließlich – ich will die Sache zu applanieren trachten. Es hängt ja in letzter Instanz doch von mir ab. Wenn Du wirklich nachweisen kannst, daß Du nichts direkt Beleidigendes und nichts zur Auflehnung Ermunterndes gesagt und gemeint hast, und auch in Zukunft –«
    »Auch in Zukunft werde ich nie zur Gewalt aufmuntern oder zum Hasse aufhetzen. Diese beiden Dinge sind ja eben das, was ich bekämpfe.«
    »Halte Dich in Zukunft lieber ganz still –«
    »Wenn das die Bedingung Ihrer Nachsicht sein soll, Exzellenz, dann möchte ich schon bitten, es bei der Strenge bewenden zu lassen – denn zum Schweigen kann ich mich nicht verpflichten.«
    »Na, wir werden ja sehen, wie Du Dich weiter aufführst. Einstweilen betrachten Sie sich als gewarnt, Herr Oberleutnant Graf Dotzky.«
    Und damit war Rudolf entlassen.
    Er verließ das Kabinett des Ministers in trüber Stimmung ... Es war ihm, als fühlte er Kugeln an den Füßen und Handschellen an den Händen. Das ganze Kriegsgebäude, das er nun durchschritt, mit seinen schmucklosen Sälen, seinen weiten Gängen, seinen Treppen, über die uniformierte Menschen auf und nieder eilten, machte ihm den Eindruck eines Gefängnisses. Und vor dem Tor die schwarzgelbe Barriere, die Schilderhäuschen, der Trupp von Soldaten, die neben dem Tor auf der Bank saßen – das alles, was er doch so oft gesehen, erschien ihm heut in ganz neuem Licht ... wie eine Mahnung, daß das Bestehende feststeht, daß es voll organischen Lebens ist und daß die Versuche, es umzustoßen, daran zerstieben müssen, wie der Schaum einer kleinen Welle an Meeresfelsen.
    Und als er nun ganz herausgegangen und den Platz »am Hof« vor sich sah, erschien ihm auch diese altbekannte Szenerie in einem ganz besonderen Licht. Es hatte die ganze Nacht geregnet, das Pflaster glänzte im schwarzen Naß und es regnete noch immer; zugleich brach aber ein Sonnenstrahl aus den Wolken und spielte um das Haupt des Radetzky-Denkmals. Der alte Feldmarschall sitzt zu Pferde, dem Kriegsgebäude kehrt er den Rücken und mit der ausgestreckten Hand scheint er die zahlreichen Hökerinnen zu segnen, die

Weitere Kostenlose Bücher