Martha's Kinder
ernstes Wort mit Dir reden« – damit trat eines schönen Tages Delnitzky in das Zimmer seiner Frau, die eben beschäftigt war, in einem Bande Bresserscher Gedichte zu lesen.
Sie blickte überrascht auf. Der Umgang der beiden Gatten war seit letzter Zeit ein ganz förmlicher geworden, nur in Anwesenheit anderer sprachen sie mit einander, unter vier Augen hatten sie sich nichts zu sagen, am allerwenigsten »ernste Worte«.
Sie legte das Buch aus der Hand: »Was gibt's?«
Anton setzte sich neben den Tisch an der Seite ihrer Chaiselongue und schaute das weggelegte Buch an.
»Aha, das stimmt«, brummte er.
»Was stimmt?«
»Diese Lektüre – mit den Dummheiten, die Du machst.«
»Ich verstehe nicht.«
»Du läßt Dir von diesem Skribifax die Cour machen – die ganze Stadt spricht schon davon, und wie steh' ich da?«
»Wie Du dastehst? – verzeih, das weiß längst die ganze Stadt, vor der ist es kein Geheimnis, daß Du –-«
Er ließ sie nicht ausreden:
»Das ist etwas anderes ... wenn über mich getratscht wird, so hat das weiter keine Bedeutung – ich bin ein Mann. Aber ich kann nicht dulden, daß meine Frau Anlaß zu übler Nachrede gibt, und ich verbiete einfach –«
Jetzt sprang Sylvia auf.
»Du, mir? Dazu hast Du das Recht verwirkt. Ich habe mir nichts vorzuwerfen und ich lasse mir nichts verbieten.«
»Na, na, echauffier' Dich nicht so. Daß Du Dir nichts vorzuwerfen hast, glaube ich ja – ich kenn' Dich als viel zu wohlerzogen, als daß Du – und besonders mit so jemand – Dir was vergeben würdest. Aber Du kompromittierst Dich – und damit auch mich ... Ein guter Freund hat mir's gesteckt – und ich denke, es genügt, wenn ich Dich aufmerksam mache, daß die Leute reden ... da wirst Du von selber der Sach' ein End' machen und mir dankbar sein, daß ich Dich rechtzeitig gewarnt hab' ... denn was kann einer Frau teurer sein als ihr guter Name? Schon Skandal genug in der Familie, daß der Rudi solche Narrheiten macht und ganz vergißt, was er seinem Rang schuldig ist.«
»Kein Wort mehr über meinen Bruder!« rief Sylvia zornig.
»Wenn ich auch nichts reden würde, die übrige Welt nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Man bedauert die arme Baronin Tilling, daß ihr Sohn ihr so wenig Ehre macht – so soll doch wenigstens die Tochter ... Kurz« – er stand nun auch auf – »Du verstehst mich schon – das Ganze ist ohnehin peinlich, reden wir nicht mehr davon ... Verbiete dem preußischen Zigeuner das Haus – das ist ja ganz einfach.«
Bleich und zitternd stand Sylvia da. Sie rang nach Worten, fand aber keine.
Er nahm einen gemütlichen Ton an: »Brauchst Dich nicht weiter zu alterieren – die ganze G'schicht kann dann vergessen sein« – und er schritt der Tür zu.
Sie blickte ihm nach, noch immer stumm. Die Klinke in der Hand, drehte er den Kopf zurück: »Also ausgemacht? – Keine Antwort? Mir auch recht.«
»So, da kommt ohnehin die Mama – küß die Hand, Mama, kommst gerade recht ... Die Sylvia ist ein bissel aufgeregt, weil ich ihr einen guten Rat gegeben hab' ... sie soll's Dir erzählen ... Wie ich Dich kenne, wirst Du mir recht geben – ich laß Euch allein. Adieu.«
Martha erschrak über den Gesichtsausdruck ihrer Tochter. Es lag etwas darin, was sie vorher niemals an ihr gesehen; die Augen sprühten unheimlich und die Lippen bebten wie in verhaltenem Zorn. Sie blieb regungslos. Martha ging auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Achsel.
»Was ist denn geschehen? Habt Ihr einen Auftritt gehabt? Wegen Fräulein Irma?«
»Nein, wegen Hugo Bresser.«
»Ah so« – sagte Martha gedehnt. Sie ging hin und setzte sich. »Und Toni sagte, ich würde ihm recht geben ... ich gestehe, Sylvia, daß ich heute auch die Absicht hatte, mit Dir über denselben Gegenstand zu reden.«
Sylvias Atem ging noch immer kurz. Das Zittern ihrer Lippen hatte nicht aufgehört. Jetzt ließ auch sie sich in einen Fauteuil sinken, der Mutter gegenüber. »Laß hören«, sagte sie.
»Ich möchte vorher wissen, was zwischen Dir und Deinem Mann vorgefallen – und aus welchem Anlaß ... Du hast Dir doch nichts zu schulden kommen lassen ... Warum bist Du so verstört?«
»Weil ich empört bin, empört! Dieser Mensch, der mich seit Jahr und Tag betrügt – nein nicht einmal betrügt, sondern mir ins Gesicht die Treue bricht – der wagt es, mir Befehle zu erteilen, auf daß ich mich und ihn nicht kompromittiere – seine Ehre hängt also nicht von ihm ab, sondern von dem, was ich tue oder lasse
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