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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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Überraschung hält sich in Grenzen. »An wen?«
    »An einen Amerikaner, der ins deutsche Filmgeschäft einsteigen will. Ist ihm im ersten Anlauf misslungen.«
    Hanni Pelzer lächelt. »Ach der… nun, das ist gut zu wissen, aber es wird ihm ohne meine Zustimmung nicht gelingen. Sonst noch etwas?«
    Noch eine Lüge, aus der Not geboren: »Die beiden Prostituierten wollen Geld sehen. Sonst gehen sie zur Polizei und erzählen, was sie wissen.«
    Das war schon besser, Anna. Die Pelzer sieht aus, als habe sie eine Kröte geschluckt, oder zwei. Dann springt sie auf und geht zum Fenster. Sie dreht Anna den Rücken zu. Die Beine unter dem kurzen Rock sind ebenfalls muskulös und an den Waden sehr ausgeprägt. Sie trägt braune, flache Schuhe, die bequem aussehen und die Anna nicht einmal zu Hause anziehen würde. Ihre Stimme ist scharf wie ein Messer: »Welche Rolle spielen Sie hier eigentlich? Haben Sie einen Auftrag? Oder sind Sie nur eine miese kleine Erpresserin! Da sind Sie bei mir an die Falsche geraten.«
    Detektive haben einen schlechten Ruf zu verteidigen. »Ihr Geld interessiert mich nicht«, sagt Anna, »nur die Wahrheit, die alle Beteiligten so kunstvoll verschleiern. Ich habe Marilyn und Joy bei einem Liederabend kennen gelernt – und sie sind sehr gesprächig.«
    »Ich kenne die beiden Damen nicht.«
    »Ach, kommen Sie, Frau Pelzer: Marilyn und Joy sind die polnischen Nutten, die Onkel Wanja schon öfter an die Firma vermittelt hat. Sie waren auch bei jenem Mittagessen dabei, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als die Polizei alarmiert wurde. Nun würden sie gerne für eine Weile untertauchen, aber dazu brauchen sie Bargeld.«
    Hanni Pelzer dreht sich um: »Das klingt nach Erpressung, finden Sie nicht?«
    »Man könnte es so sehen«, erwidert Anna. »Aber ich gebe nur wieder, was Marilyn mir erzählt hat.«
    Ihr Gesichtsausdruck ist unverändert maskenhaft. »Was können die Flittchen schon groß erzählen, was die Polizei nicht ohnehin weiß? Dass zwei Damen zur Unterhaltung dabei waren, ist bekannt. Daran ist nichts Ehrenrühriges oder gar Ungesetzliches. Haben die beiden Sie etwa beauftragt, bei mir Geld herauszuschinden? Da muss ich Sie enttäuschen, Frau Marx. Mit schmierigen Detektiven mache ich keine Geschäfte.«
    So klein und so bösartig. Anna vergisst alles, was sie anfangs über Hanni Pelzer gedacht hat. Sie ist eine würdige Nachfolgerin, und vermutlich nutzt sie zu ihrem Vorteil, dass man sie unterschätzt, nur weil sie klein und grau wirkt. Das Wort »schmierig« hat getroffen, und es löst einen Zorn aus, der Hanni Pelzer zerschmettern würde, wenn Anna Marx göttliche Gaben besäße.
    Wie es ist, kann Anna nur mit Worten strafen: »Ich gehöre nicht zu denen, die Sie schmieren müssen, damit die Geschäfte laufen. Oder erpressen können wie Benno Mackeroth. Außerdem kursieren in Berlin heftige Gerüchte, dass die Firma pleite ist. Sie sind zu klein, um Rosi Starks Lebenswerk weiterzufahren, einfach zu klein…«
    So, jetzt fühlt sie sich besser. Anna greift nach ihrer Handtasche und geht wortlos zur Tür. Als sie diese hinter sich geschlossen hat, leise, wie es sich geziemt, hört sie ein Krachen, so, als ob jemand etwas hinterhergeworfen und die Tür getroffen hätte. Etwas Mittelschweres. Speerwerferin? Anna lächelt, als sie in den Lift steigt und nach unten schwebt. Aus dem Lautsprecher erklingt Filmmusik. Im Erdgeschoss verkündet eine weiche Frauenstimme in drei Sprachen, dass man ebendort angekommen sei. Überflüssig und aufdringlich –wie so vieles in diesem Leben.
    Anna marschiert zum U-Bahnhof Schlesisches Tor, vorbei an dem Stein mit der Inschrift »Dem unbekannten Flüchtling«. Geschichte, die sich überlebt hat. Da wären in Berlin viele Steine zu demontieren. Und nun fügen sie andere hinzu, und die neue Mauer verläuft zwischen denen, die es geschafft haben, und den anderen – der schweigenden, sich arrangierenden oder protestierenden Mehrheit.
    Anna zählt sich zur Mehrheit mit Tendenz zum innerlichen Randalieren. Wovon keiner etwas hat, nicht einmal sie.

14. Kapitel
     
     
     
    Die Nacht macht Berlin. Sie deckt das Schäbige, Unvollendete, Protzige zu und wahrt den schönen Schein trotz fehlender Scheine. Fünfzig Milliarden Euro Schulden sind kein Thema, solange das Bier frisch gezapft ist. Die Nacht strahlt drei oder zwei Opernhäuser an, das Regierungsviertel und die Kreuzberger Kneipen. Die Bankrotterklärung Berlins hat bis zum nächsten Morgen Zeit, und Reiche und

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