Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mary Poppins

Mary Poppins

Titel: Mary Poppins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela L. Travers
Vom Netzwerk:
sagte John laut.
    »Tut mir leid«, erklärte das Sonnenlicht. »Ich kann’s nicht ändern. Ich muß nun einmal das Zimmer durchqueren. Befehl ist Befehl. Ich muß in einem Tag von Osten nach Westen wandern, und mein Weg führt durch dieses Kinderzimmer. Tut mir leid! Mach deine Augen zu, dann merkst du nichts von mir.«
    Der goldene Sonnenstrahl machte sich lang und wanderte weiter durchs Zimmer. Offenbar beeilte er sich, um John einen Gefallen zu tun.
    »Wie weich und köstlich du bist! Ich hab dich lieb«, sagte Barbara und hielt ihre Händchen in die strahlende Wärme.
    »Gutes Kind!« sagte der Sonnenstrahl beifällig und streichelte sie liebkosend über Bäckchen und Haar. »Magst du das gern?« fragte er, als wollte er gelobt werden.
    »Köö-stlich!« sagte Barbara und seufzte glücklich auf.
    »Papperlapapp! Ich kenne keinen Ort, wo mehr geplappert wird. Immer ist hier jemand im Zimmer und schwätzt«, sagte eine keifende Stimme vom Fenster her.
    John und Barbara blickten auf.
    Es war der Star, der auf dem Schornstein sein Nest hatte.
    »Ich hab’s gern«, sagte Mary Poppins und drehte sich schnell nach ihm um. »Wie steht’s denn übrigens mit dir? Den ganzen Tag lang – ja, und die halbe Nacht noch dazu, auf allen Dächern und Telegrafenstangen. Schimpfen und Kreischen und Schreien – du könntest dem Teufel ein Ohr abschwatzen, glaub ich. Schlimmer als jeder Spatz, wahrhaftig!«
    Der Star legte den Kopf auf die Seite und schaute von seinem Sitz auf dem Fensterrahmen auf sie hinab.
    »Nun, ich muß meinen Geschäften nachgehen. Konferenzen, Besprechungen, Verhandlungen, Abschlüsse. Und das erfordert natürlich dann und wann ein – hm – ruhiges Gespräch – «
    »Ruhiges?« rief John und lachte hellauf.
    »Mit dir hab ich nicht geredet, junger Mann«, sagte der Star und hüpfte hinunter aufs Fensterbrett. »Du hast es nötig, den Mund aufzumachen. Letzten Samstag hab ich dich stundenlang plappern gehört. Liebe Zeit, ich dachte, du würdest überhaupt nicht mehr aufhören – die ganze Nacht lag ich wach – deinetwegen.«
    »Das war kein Geplapper«, sagte John. »Das war… « Er hielt inne. »Das heißt, es hat mir etwas weh getan.«
    »Aha!« machte der Star und saß plötzlich auf dem Gitter von Barbaras Bettchen. Dort hopste er seitlich bis ans Kopfende weiter. Dann sagte er mit sanfter, einschmeichelnder Stimme:
    »Nun, Barbara Banks, gibt’s heut was für den alten Burschen, he?«
    Barbara richtete sich auf, indem sie sich an einer Stange ihres Bettgitters festhielt.
    »Hier ist noch die Hälfte von meinem Zwieback«, sagte sie und hielt ihm das Stückchen mit ihrer runden, dicken Faust hin.
     
     
     
     
     

Der Star kam angeschwirrt, schnappte ihr den Zwieback aus der Hand und flog aufs Fenstersims zurück. Dort begann er, ihn eifrig aufzupicken.
    »Danke schön!« sagte Mary Poppins mit Betonung, aber der Star war viel zu sehr mit seinem Zwieback beschäftigt, um darauf zu achten.
    »Ich sagte >danke schön!<« wiederholte Mary Poppins etwas lauter.
    Der Star blickte auf.
    »He – was? Laß mich zufrieden, Mädchen! Ich hab keine Zeit für solchen Firlefanz!« Und er verschlang die letzten Zwiebackkrumen.
    Es wurde ganz still im Zimmer.
    John, der in der Sonne döste, steckte die Zehen seines rechten Fußes in den Mund und rieb sie an der Stelle hin und her, wo seine Zähne durchbrechen wollten.
    »Warum plagst du dich so?« fragte Barbara mit ihrer weichen, vergnügten Stimme, die immer voller Lachen war. »Niemand ist da und sieht zu.«
    »Weiß ich«, sagte John und spielte ein Liedchen auf seinen Zehen. »Aber ich bleibe gern in der Übung. Es macht den Großen so viel Spaß. Hast du gemerkt, wie Tante Flossie fast närrisch war vor Entzücken, als ich es ihr gestern vormachte? >Ach, wie lieb und wie gescheit, welch ein Wunder, dieses Geschöpfchen!< Hast du nicht gehört, was sie alles daherredete?« Und John ließ seinen Fuß fahren und gluckste vor Lachen bei dem Gedanken an Tante Flossie.
    »Mein Kunststück hat ihr auch gefallen«, sagte Barbara selbstzufrieden. »Ich hab meine Söckchen ausgezogen, und da hat sie gesagt, sie hätte mich zum Fressen gern. Ist das nicht komisch? Wenn ich sage, ich hätte was zum Fressen gern, dann meine ich es wirklich. Kekse und Zwieback und die Bettzipfel und so. Aber mir scheint, die Großen meinen nie, was sie sagen. Sie konnte mich doch nicht wirklich auffressen wollen! Was denkst du?«
    »Natürlich nicht! Es ist nur eine ihrer

Weitere Kostenlose Bücher