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Mary Poppins

Mary Poppins

Titel: Mary Poppins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela L. Travers
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Eimer mit Leim ab. Miß Fannie ließ die Leitern von der Schulter gleiten und richtete sie auf, bis sie beide sicher standen. Dann hielt sie die eine und Miß Annie die andere Leiter ganz fest.
    »Was, um Himmels willen, haben sie vor?« fragte Michael gähnend.
    Aber Jane antwortete ihm nicht, und er sah nun selber, was geschah.
    Sobald Miß Fannie und Miß Annie die Leitern so aufgestellt hatten, daß sie mit dem einen Ende fest auf der Erde standen, während sie mit dem anderen am Himmel zu lehnen schienen, raffte Mistreß Corry ihre Röcke zusammen, nahm den Eimer mit Leim in die eine Hand und ergriff mit der andern den Malerpinsel. Dann setzte sie ihren Fuß auf die unterste Leitersprosse und begann hinaufzusteigen. Mary Poppins, den Korb in der Hand, stieg die zweite Leiter hinauf.
    Und jetzt bekamen Jane und Michael etwas höchst Merkwürdiges zu sehen. Sobald Mistreß Corry an der Spitze ihrer Leiter angelangt war, tunkte sie ihren Pinsel in den Leim und schwappte das klebrige Zeug an den Himmel. Kaum war das geschehen, da nahm Mary Poppins etwas Leuchtendes aus ihrem Korb und tupfte es an den Leim. Als sie ihre Hand wegzog, sahen die Kinder, daß sie Pfefferkuchensterne an den Himmel klebte. Jeder Stern fing gleich an zu funkeln und sandte blitzende, goldene Strahlen aus.
    »Das sind doch unsere Sterne!« sagte Michael atemlos. »Unsere Sterne. Sie glaubte, wir schliefen, und kam herein und hat sie geholt.«
    Doch Jane blieb stumm. Sie sah zu, wie Mistreß Corry den Leim an den Himmel schwappte, Mary Poppins die Sterne daranklebte und Miß Fannie und Miß Annie die Leitern weiterrückten, sobald wieder eine Lücke am Himmel ausgefüllt werden sollte.
    Schließlich war alles vorbei. Mary Poppins schüttelte ihren Korb aus und zeigte Mistreß Corry, daß er leer war. Dann kletterten sie die Leitern herunter, und die Prozession kam wieder den Hügel herab: Miß Fannie die Leitern geschultert, Miß Annie mit dem leeren Eimer rasselnd.
    An der Ecke blieben sie einen Augenblick stehen und schwatzten, dann schüttelte Mary Poppins allen die Hand und eilte wieder nach Haus. Mistreß Corry tanzte leichtfüßig in ihren Zugstiefelchen davon und hielt die Röcke zierlich mit den Händen gerafft. So verschwand sie in der entgegengesetzten Richtung, und ihre riesigen Töchter stapften geräuschvoll hinter ihr drein.
    Das Gartentor klinkte. Schritte knirschten auf dem Kies. Die Haustür öffnete und schloß sich, leise einschnappend. Jane und Michael hörten Mary Poppins sachte die Treppe heraufkommen, auf Zehenspitzen zum Kinderzimmer und dann hinüber ins nächste Zimmer schleichen, wo sie mit John und Barbara schlief.
    Sobald es wieder still war, sahen sich beide an. Dann gingen sie beide wortlos zur oberen linken Schublade und schauten hinein.
    Nichts war darin als ein Häufchen Taschentücher von Jane.
    »Ich hab’s dir gleich gesagt!« sagte Michael.
    Schnell gingen sie zum Kleiderschrank und schauten in die Schuhschachtel. Auch sie war leer.
    »Aber wieso denn? Warum denn?«
    Michael setzte sich auf den Rand seines Bettes und starrte Jane verwundert an.
    Jane gab keine Antwort. Die Arme um die Knie geschlungen, setzte sie sich neben ihn und dachte und dachte. Schließlich schüttelte sie das Haar zurück, streckte sich und stand auf. Dann meinte sie:
    »Was ich unbedingt wissen möchte, ist: sind nun die Sterne aus Goldpapier oder ist das Goldpapier aus Sternen gemacht?«
    Es kam keine Antwort, und sie erwartete auch keine. Sie wußte, daß nur jemand viel Gescheiterer als Michael ihr die richtige Antwort geben könnte.
9. Kapitel
    Die Geschichte von Barbara und John
    Jane und Michael waren zu einer Einladung gegangen. Sie hatten ihre besten Sachen angezogen, und das Zimmermädchen Ellen hatte bei ihrem Anblick erklärt: die reinsten Schaufensterpuppen!
    Das Haus war an diesem Nachmittag sehr still und ruhig. Unten in der Küche las, die Brille auf der Nase, Mistreß Brill die Zeitung. Robertson Ay saß im Garten und tat so, als täte er was. Mistreß Banks hatte sich’s im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem gemacht. Das ganze Haus schien in Schlaf versunken. Es träumte wohl seine eigenen Träume oder hing vielleicht auch seinen Gedanken nach.
    Oben im Kinderzimmer trocknete Mary Poppins die Kleider am Kaminfeuer. Das Sonnenlicht drang zum Fenster herein, flimmerte auf den weißen Wänden und tanzte über die Bettchen, in denen die Kleinen lagen.
    »Mach, daß du weiterkommst! Du scheinst mir gerade in die Augen«,

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