Marzipaneier (Junge Liebe)
kenne, falle ich jedes Mal auf ihre scheinbare Schönheit herein und wiege mich in Sicherheit. Und sie belehrt mich immer eines Besseren. Knapp entgehe ich ihrem Anschlag auf mein Gesicht. Ich will sie abwehren und verletze mich dabei am Finger. Schon wieder. Es blutet. Der Stachel des Dorns steckt tief. Der Schmerz noch tiefer. Nicht der physische, der wird eines Tages vergehen. Das weiß ich aus Erfahrung. Doch meine Seele wird sich diesen hinterhältigen Angriff merken. Aber wenn ich mich den Rosen beim nächsten Mal wieder ganz leichtgläubig nähern werde, werde ich erneut auf sie hereinfallen.
Coras Rolle
Ich habe es geschafft, mich mit Cora zu verabreden, bevor sie am Sonntag wieder nach Marseille fährt. Trotzdem hat es lange gedauert bis ich bei meinem Schwesterchen einen Termin bekommen habe. Es ist wohl schwieriger ein Date mit ihr auszumachen, als eine Audienz beim Papst zu bekommen. Sie ist seit Samstag hier, aber permanent auf Achse. Hab ihr gleich am Sonntag gesagt, dass wir unbedingt miteinander reden müssen. Sie meinte, sie gebe mir Bescheid. Nun gut, heute ist der große Tag. Freitag. Immerhin. Ich sitze hier irgendwo auf der Zeil in einem Cafè, warte gierig auf meinen Milchshake und vor allem auf Cora. Sie wird sich verspäten. Ich bin es gewohnt auf sie zu warten. Im Hintergrund läuft “Oops!...I did it again” von Britney Spears. Mensch Cora. Ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen, du dumme Kuh. Wärst du jetzt hier, würde mir die Musik im Radio am Arsch vorbei gehen. „ Wishing that heroes they truely exist “, wie recht die Frau doch hat. Und ich dachte immer, Popmusik sei was Oberflächliches. Beeil dich gefälligst! Vorwärts! Zu ihrer Entschuldigung gibt es lediglich zu sagen, dass sie mit Iris, ihrer besten Freundin, durch die Zeil bummelt. Hier wimmelt es von Läden, die die beiden magisch anziehen. Außerdem kommen und gehen ständig neue Geschäfte. Da kann man schnell den Überblick verlieren. Nur die Wenigsten halten sich seit Jahren.
Cora muss alles Neue ausprobieren. Sonst wäre sie nicht Cora. Gestatten: Cora Jacobi. Meine um drei Jahre ältere Schwester. Zu ihr konnte ich bisher mit all den großen und kleinen Problemen kommen, die ich nicht mit Mark besprechen konnte oder wollte. Das Gespräch heute liegt mir besonders am Herzen. Es ist mir wichtiger als alle zusammen, die wir je geführt haben. Es geht um Ben. Um wen auch sonst?! Mit ihr kann ich darüber reden. Ich denke, sie wird es - wie eigentlich alles - sehr objektiv betrachten. Ohne sie wüsste ich wirklich manchmal nicht, wohin mit meinen Sorgen und Wehwehchen. Julian mag ich auch, keine Frage, aber die Beziehung zwischen Cora und mir ist intensiver. Jay ist eben nur der kleine Bruder, der frühere Spielkamerad. Cora war ihrem Alter schon immer weit voraus, was sich auch in ihrem Auftreten niederschlägt. Manchmal kommt sie mir sogar erwachsener vor als Dad. Das liegt wohl daran, dass jeder Mann irgendwo in sich Kindliches trägt, egal in welchem Alter. Cora, die Vertrauensperson. In ihrer Gegenwart fühlt man sich schon so erwachsen. Es hat sie sicher öfter genervt, wenn ich andauernd um sie herumgeschwänzelt bin. Aber sie hatte immer ihre speziellen Methoden mich loszuwerden, wenn ich ihr unangenehm wurde. Entweder hat sie mich mit Süßigkeiten erpresst oder mich für sie was holen geschickt, damit sie sich klammheimlich mit ihren Freundinnen aus dem Staub machen konnte.
Sie war für mich da, als ich zu ihr gekommen bin und sie fragte, wie ich ein Mädchen richtig küssen soll. Sie stand morgens neben mir, um mir zu zeigen wie ich mich perfekt zu stylen habe. Ich habe ihr viel zu verdanken. Letztendlich war es Cora, die mir das Radfahren beigebracht hat. Nur die Geduld, die sie damals aufbrachte, hat sie leider irgendwo auf dem Weg zwischen der Schule und unserem zu Hause verloren. Das schlägt sich immer dann nieder, wenn sie mir französische Grammatik erklären soll.
Aber in Ratschläge verteilen ist sie immer noch die unangefochtene Nummer eins. Seit sie in Marseille lebt, hat Ben zwar die Rolle meines Seelsorgers übernommen, dieses Problem wage ich aber nicht mit ihm zu lösen. Vielleicht irgendwann. Jetzt muss erst mal Cora ran.
Endlich bekomme ich meinen Milchshake. Die Bedienungen hier waren auch schon schneller. Es ist heiß und die Luft ist trocken. Die Sonne brennt. Ich setze meine Sonnenbrille auf und hoffe, dass Cora mich unter den vielen Leuten trotzdem erkennt.
Na,
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