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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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Wandel zur Moderne vollzogen. Mit Sonnenbrille, Designerjeans und kurz rasiertem Wangenbart wirkt Lakshyaraj weniger wie ein Thronfolger, sondern wie ein Yuppie: jung, urban erzogen und allem Anschein nach mit Geschäftssinn ausgestattet. Die Insel im Pichola-See ist ein auf große Hochzeiten spezialisierter Ableger der anderen Palasthotels, und Lakshyaraj betreut diesen Teil des Familienunternehmens mit persönlichem Ehrgeiz. Bevor er zu mir kommt, weist er noch einige Arbeiter an, wie sie Dekorationen anzubringen haben. „Mir ist es wichtig, diesen Teil unserer Geschichte zu erhalten“, sagt er, als wir von einem kleinen Pavillon auf die hohen Mauern des Stadtpalastes blicken, und genießt einen Moment der Ruhe. Dann klingelt sein Handy – und mit einem ziemlich bürgerlichen Handschlag verabschiedet sich der Prinz.
    Denkmalschutz ist nur eine der Aufgaben, die die alten Fürstenhäuser im indischen Leben übernommen haben. Die indischen Adligen haben auch ihren Platz in den religiösen Traditionen ihrer Länder – und diese Rolle gaben sie nicht zusammen mit dem politischen Einfluss ab. Arvind Singh von Mewar legt heute sogar besonders viel Wert darauf, die religiöse Seite seiner Legitimation zu betonen. „Die Maharana von Mewar sind nie Herrscher gewesen“, wirft Singhji ein, als wir über die Sisodias sprechen. „Der Herrscher ist der Gott Eklingji, der ihnen die Macht als Treuhänder überträgt.“ Der Tempel des Shiva-Eklingji liegt ein paar Kilometer von Udaipur entfernt und ist seit Jahrhunderten ein wichtiges Pilgerziel. Als ich dem Inhaber eines kleinen Ladens in der Altstadt frage, was er denn von der Familie des Maharanas hält, meint der zwar, dass er nicht so viel von den Aktivitäten des Maharana of Mewar Charitable Trust, den Arvind Singh ins Leben rief, bemerkt. „Aber Shriji“, sagt der kleine Unternehmer und benutzt den Ehrentitel des Fürsten, „Shriji ist als Geschäftsmann wichtig für die Stadt – und als Nachkomme seiner Vorfahren wichtig für Eklingji und alle, die an ihn glauben.“ Viele Rajas spielen eine Rolle bei religiösen Ritualen und Prozessionen, die durch ihre Städte führen: Das ist in Benares in Nordindien nicht anders als in Mysore im Süden, wo der Wodeyar-König in jedem Jahr das neuntägige Dasara-Fest mit einer Puja eröffnet und während der Feiern in seinem prächtig erleuchteten Palast einen Darbar abhält. Die Versammlung hat heute allerdings keine politische Funktion mehr.
    Viele Angehörige der Adelsschicht engagieren sich auch in der Politik – aber nicht mehr als Monarchen, sondern als demokratisch gewählte Volksvertreter. Im Gegensatz zu Filmstars, die sich zu Ministern wählen lassen 1 , scheint das ganz gut zu funktionieren. „Der Unterschied ist der“, erklärte mir Vimal, der Fotograf, seine Sicht der Dinge, „für einen Schauspieler ist ein Amt ein Weg, möglichst viel Geld zu machen. Ein Maharaja will auch Geld machen, aber er muss auch darauf achten, dass seine Wähler ihn und alle anderen, die seinen fürstlichen Namen tragen, nicht aus der Stadt jagen.“
    Ein enges Verhältnis zwischen Fürst und ihren früheren Untertanen erlebt man in der unteren Ebene der Hierarchie wohl eher als auf der der Maharajas. Auch das kleine Fort von Bassi, nicht weit von Udaipur, hat der dortige Thakur zu einem Heritage- Hotel umgebaut. Bassi selbst ist ein kleiner Ort, eigentlich nur ein Dorf – hier sind viele Straßen noch nicht asphaltiert und alles wirkt ein wenig verschlafen. Am Nachmittag des Aufenthalts kommen auf der Terrasse des kleinen Schlosses einige Männer in Dhotis – zu Hosen gewickelte Stoffbahnen – zusammen. Vom Hoteldiener bekommen sie Tee, und schließlich gesellt sich der Thakur von Bassi hinzu, scherzt und diskutiert mit der Gruppe. „Was waren denn das für Leute vorhin“, frage ich ihn später, als wir am gleichen Ort bei einem kühlen Glas Bier am Lagerfeuer sitzen. „Oh, das war der Panchayat, der Gemeinderat“, antwortet er. Er sei selbst der Vorsteher des Rats, und es sei ihm wichtig, dass seine Kollegen ab und zu bei ihm vorbeischauten: Das Fort sei ja schließlich Teil des Ortes. „Eigentlich ist es ihr Haus“, sagt der Thakur mit Blick auf die Flammen.
    Der Wandel der Adligen Indiens zur demokratischen Moderne hat eine schöne Nebenwirkung: In diesem früher fast ausschließlich von Männern dominierten Kreis spielen auch die Frauen der Rajas, die Ranis, und die Prinzessinnen, die Kumaris, immer öfter eine

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