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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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günstigen Preise der Hippiezeit sind vergessen. Bei Last- Minute-Angeboten spielt es dann für viele auch keine Rolle mehr, ob Goa nun eine Schwesterinsel von Malle ist oder nicht: Hauptsache zwei Wochen Vollpension, warmes Meer, kein Stress. Urlaub auf Goa.
    Doch ein Goa als marihuanavernebeltes Hippieparadies, ewig währende Loveparade und billige Bettenburg – wenn es denn je so war – sucht man heute vergebens. „Ich will solche Leute nicht mehr. Ich will keine Rucksacktouristen aus Deutschland, ich will keine russischen Gruppen auf Pauschalreise und ich will keine partysüchtigen Israelis in meinem Hotel“, sagt mir der Manager eines Ressorts genervt.
    „Warum keine Rucksackreisenden?“, frage ich ihn erstaunt, denn noch wenige Jahre zuvor war Vagator eins der beliebtesten Backpackerziele.
    „Die wollen kein Geld ausgeben“, antwortet er.
    „Und warum keine Russen?“, frage ich weiter, denn russische Touristen, erzählte mir ein anderer goanischer Tourismusmanager, sollen die Rubel in Rollkoffern nach Indien bringen.
    „Wenn Russen auschecken, muss ich ihre Zimmer renovieren. Weil sie pauschal gebucht haben, meinen sie, dass ihnen auch die Nachttischlampen gehören“, behauptet der Hotelier. Das mit den prall gefüllten Rollkoffern stimmt wohl also doch nicht. „Und die Raver nehmen alle Drogen“, fügt er hinzu. Dann nimmt er mich mit zu einem kleinen Pavillon hinter dem Swimmingpool, in dem gerade ein paar Bauarbeiter Fliesen verlegen. „Das ist mein neues Jacuzzi“, sagt er und zeigt auf ein ovales Loch im Boden, etwa zwei Meter im Durchmesser, aus dem ein Sprudelbad werden soll. „In zwei Wochen ist Eröffnung.“ Das ist schwer zu glauben. Doch auch wenn es länger dauern sollte, das Ziel des Hotelmanagers ist klar: Wellnesstouristen sollen sich hier wohlfühlen, im Nebenzimmer werde er noch Platz für Ayurvedic Treatment schaffen – Massagen, Duftölbehandlungen, ein Heilkundler aus Nepal soll in der Saison eigens in sein Hotel kommen. „Die bleiben zwei Wochen und machen keinen Ärger“, hofft der Manager.
    Es sind nicht nur Vorurteile bestimmten Nationalitäten gegenüber und schlechte Erfahrungen mit manchen Ausprägungen von Tourismus, die ein Umdenken in Goas Fremdenverkehrsbranche eingeleitet haben. Tatsächlich machen sich viele Goaner angesichts des Massentourismus Sorgen um die Zukunft ihres Landes – und um ihre nationale Identität. Wie viele Inder sind die Goaner stolz auf ihre Herkunft und das, was sie von den anderen Menschen im Land abhebt. Goa war die größte Kolonie auf dem Subkontinent, die nicht unter britischem Einfluss stand. Die Portugiesen errichteten hier lange vor den Inseleuropäern eine erste Niederlassung, und Velha Goa – Alt- Goa – hatte einst mehr Einwohner als zur gleichen Zeit London. Anders als die Briten scheuten sich die Portugiesen nicht, mit den Menschen, die sie bei ihrer Ankunft vorfanden, zusammenzuleben: Ehen zwischen Kolonisten und Inderinnen waren üblich. Das Ergebnis ist ein nicht zu übersehender südeuropäischer Einschlag in vielen goanischen Gesichtern, die zu Indern mit portugiesisch klingendem Nachnamen gehören: So wie hierzulande Meiers und Müllers die Telefonbuchspalten füllen, so mächtig ist in Goa das Heer der Da Silvas und Fernandes’. In vielen Familien sprechen zumindest noch die Alten Portugiesisch – Goa gehörte bis 1961 zu der früheren Großmacht –, und Häuser, die vor einem halben Jahrhundert und früher gebaut wurden, können mit ihren Terrassen, bunten Fenstern, Holzschnitzereien und hübschen Säulenportalen ihre europäischen Vorbilder nicht verleugnen. Die 450-jährige portugiesische Fremdherrschaft hat aber auch eine Kehrseite. Die Kolonisatoren zwangen die Goaner, den christlichen Glauben anzunehmen und beuteten sie aus. Die Inquisition verfolgte bekennende Hindus und Muslime. Mehr als jeder vierte Einwohner Goas ist Katholik, der Anteil ist dem Augenschein nach höher. Das liegt an den vielen strahlend weißen Kirchen, die meist in kolonialer Zeit zwischen die Palmen gestellt wurden – und daran, dass gerade Goaner, die viel Einfluss im öffentlichen Leben haben, aus alten Familien stammen, die schon seit Generationen christlich sind. Wegen dieser Vergangenheit betonen die Goaner für sich, bei allen Besonderheiten ihrer Heimat, ihre Zugehörigkeit zur indischen Nation.
    „Give Goa back to the Goans!“, lese ich Ende 2008 auf einem Plakat am Busbahnhof von Panjim, der Landeshauptstadt. Nicht nur

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