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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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Vorfahren sind seit einigen Jahrhunderten Thakurs.“ Gemessen an den Maßstäben der Udaipur-Maharanas ist das kein langer Zeitraum, denn die Königsfamilie nimmt für sich in Anspruch, eine der ältesten Dynastien mit ununterbrochener Abkunftslinie der Welt zu sein: Bis ins frühe achte Jahrhundert reicht die Geschichte der Mewar-Könige zurück. „Bei der Staatsgründung Indiens 1947 hat der damalige Maharana seinen Herrschaftsanspruch an die junge Republik abgegeben, und das Fürstentum Mewar verlor seine politische Bedeutung“, erzählt Singhji, während wir durch die Kristallgalerie wandern, in der eine komplette Schlosseinrichtung aus böhmischem Glas ausgestellt ist. Die Galerie ist ein Souvenir der letzten großen Epoche der Maharajas: Lange bevor die Briten Indien in die Unabhängigkeit entließen, traten sie in den meisten Gebieten nicht als direkte Herrscher auf. Zumindest dem Anschein nach ließen sie in den „Princely states“ die traditionellen Herrscher auf ihrem Thron. Allerdings vergaßen sie nicht, den Königen einen Resident zur Beratung zur Seite zu geben. Auf alten Gruppenaufnahmen von Maharajas und ihrem Hofstaat aus der kolonialen Ära ist der Resident meist der einzige Weiße, eher unscheinbar steht er am Rande. Wichtige Regierungsentscheidungen blieben bei aller Zurückhaltung im Auftreten den Residents und ihren Vorgesetzten in Kalkutta und Delhi vorbehalten, und von ihren Berichten hing es ab, ob – mit herzlichen Grüßen des englischen Königshauses – die Maharajas weiter auf gefüllte Privatschatullen zurückgreifen konnten.
    Vor hundert Jahren waren die Tage der kriegerischen Rajas also vorbei. Anstatt ihre Nachbarstaaten zu überfallen und die Briten zu ärgern, langweilten sich die meisten indischen Könige – und lenkten sich bei Jagdgesellschaften ab. Aus heutiger Sicht ein monströser Zeitvertreib, denn durch sie wurde das Artensterben stark befördert: An vielen Palastwänden verstauben noch heute ausgestopfte Tiger- und Löwenköpfe. Ihren verschwenderischen Lebensstil finanzierten die Rajas mit dem Geld der Kolonialherren. Als Gegenleistung trugen sie ihren Teil dazu bei, das Volk ruhig zu stellen, indem sie die traditionellen Hierarchien aufrecht erhielten. Diese Liaison mit den Briten wird dem Adel Indiens bis heute in national gesinnten Kreisen vorgehalten. Umso wichtiger sind den Nachkommen der Könige von damals auch kleine Zeichen von Widerstand. „Dieser Stuhl“, sagt Singhji und hält kurz auf dem kilometerlangen Rundgang durch das Palastmuseum an, „wurde dem Urgroßvater des jetzigen Maharanas als Einladung zum Delhi-Darbar geschickt.“ Er zeigt auf einen Sessel mit dem Wappen der Sisodias, der hinter einer Absperrung langsam einstaubt und an die große Versammlung, den Darbar, erinnert, die der damalige Kaiser von Indien 1911 in der gerade neu entstehenden Hauptstadt seiner Kolonie abhielt. „Dort hätte der Maharana König Georg V. seine Ehrerbietung machen müssen. Aber er ist nicht hingefahren!“ Die Geschichte erzählt Singh mit so viel Stolz, als sei der geschwänzte Staatsbesuch der erste Schritt zu Indiens Unabhängigkeit gewesen. Eine Jahreszahl, an die sich fast kein Angehöriger des indischen Adels gern erinnert, ist 1971. Nach der Unabhängigkeit hatte der indische Staat mit großzügig bemessenen Pensionen und Privilegien für das Wohl seiner Fürsten gesorgt. 1971 strich Premierministerin Indira Gandhi diese Unterstützung. Die früheren Herrscher konnten nur noch über die Paläste verfügen, in denen sie wohnten. Die Sommerpaläste, Burgen und Jagdschlösschen gingen meist in Staatseigentum über, was für weniger bekannte Baudenkmäler der Beginn langsamen Verfalls bedeutete. Solche Gebäude haben oft nur dann eine Chance, wenn ein Nachfahre der früheren Hausherren seine unternehmerische Ader entdeckt und sie für den Tourismus wieder instand setzt.
    In Udaipur funktioniert das anscheinend nicht schlecht. Im Pichola-See vor dem Stadtpalast liegt südlich vom Lake-Palace-Hotel eine zweite Insel, Jagmandir Island. Auch auf ihr befindet sich eine kleine Schlossanlage mit Garten, doch bis vor wenigen Jahren war sie ein von Unkraut überwuchertes Ruinenfeld. Diesmal treffe ich dort Lakshyaraj, den Sohn und voraussichtlichen Nachfolger von Arvind Singh. Im Vergleich zu seinem Vater, der mit seiner tiefen Bassstimme und dem majestätischen Vollbart in jedem Historienfilm einen seiner Ahnen spielen könnte, hat der Sohn auch äußerlich den

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