Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
Vom Netzwerk:
Stille zwischen ihnen. Deshalb stand sie auf, um Feuerholz aus einer Kiste zu holen, als es plötzlich an der Haustür klopfte – alle drei schraken zusammen. Eine junge Frau trat ein, lächelte, nahm verlegen den Pelzhut vom Kopf.
    »Wo bin ich hier?«, wollte sie wissen.

SCHWARZFALL
    »Natur und Gesetz sah man im Dunkeln nicht;
    Gott sprach, es werde Tesla, und überall ward Licht.«
    (Laudatio zur Verleihung der Edison-Medaille durch das Amerikanische Institut der Elektroingenieure)
    Nach 1901 standen sie bald in vielen Reichsstädten: Teslaspulen, groß wie Leuchttürme, um die Menschen mit drahtlosem Strom zu versorgen, jede Maschine und jedes Gefährt. Erst elektrische Monster, die Blitze in alle Richtungen warfen, dass einem die Haare zu Berge standen, euphorische Zustände herrschten und Jesus zu einem sprach und die Engel, nahe der Kugel, der Elektrode aus Kupfer, die in den Himmel hochstach; man beim Händeschütteln ständig einen Stromschlag bekam, die Pelzstolen der Damen knisterten und auch das Innenfutter der Herren, aus edlem Samt, mit Distelmuster bestickt; die Luft nach Ozon roch, abends, wenn in den Häusern die Glühbirnen brannten, die Kochplatten glühten und die Grammophone ganz ohne Federwerk sangen.
    Diese Spulen hatten einen besseren Wirkungsgrad: Nun war über den Dächern bloß noch das magische Lichtspiel zu sehen, ein Funkeln, ein Pulsen, während die Stromkutschen ihre Passagiere sanft zu den Salons hintrugen, zu den Boulevards und Revuen.
    Empfänger sogen die freie Energie auf und gaben sie an die Maschinen weiter; lang war es her, dass Überladungen sprühten und die Elektrik verschmorte: der Antrieb der Webstühle, Drehbänke; die Schmuckuhren der Kaufleute; die Pranken der Arbeiter in den Fabriken, ausgestattet mit zigfacher Körperkraft.
    La Belle Époque!
    Vorbei die dunklen Zeiten, als Bauern auf karger Scholle, verarmt und elend, von Missernten ausgezehrt, vom Ziehen des Pflugs, Regen und Kälte, sich ein neues Leben in den Städten erhofften … und doch nur die lichtlosen Hinterhöfe bezogen, abseits der prächtigen Straßen und Villen, wo der neue Geldadel wohnte.
    Mit Wechselstrom war der Segen über die Bürger gekommen: Selbst jede Dienstmagd und jede Köchin, jeder Dreher, Mechaniker und Bergmann hatte fließend Wasser, ein Telephon in der Stube stehen – auch eine Sitzbadewanne, die beheizt werden konnte, für die lieben Kinderlein.
    Es herrschte Ruhe im Volk.
    Sogar Maschinenstürmer, die früher das Proletariat aufhetzten, Scheiben einschlugen und Fließbänder demolierten, saßen mit den Fabrikanten an einem Tisch und bekamen, was sie wollten: freie Stromgliedmaßen für alle – egal, ob für das Mädchen, das mit zierlichen Händen den Saum der Prunkkleider vernähte, oder für den Hafenarbeiter, der aus dem Frachtraum der Voltaschiffe hölzerne Kiste um Kiste wegschleppte, Baumwolle, Kautschuk und Elfenbein von den Kolonien in Asien und Afrika.
    Von geschulten Doktoren am Leib angebracht, glückte meistens die Operation, die sehr günstig war, oft kostenlos, und die Warteliste kurz: Die Hospitäler eröffneten einen neuen Krankenflügel; für die Justierung, für Reparaturen aller Art.
    Nachts, in den roten Varietés, ließen Tänzerinnen ihre grazilen Metallbeine glänzen, wenn zum wilden Cancan der Absinth durch die Kehlen floss, die Wangen sich röteten, die Jetons locker saßen, ehe die Grüne Stromfee in den Glühlampen seufzend starb und ein neuer Tag anbrach, der das trunkene Gelächter von den Straßen fegte.
    Nicht lange, bis diese Prothesen zur Mode gehörten, weil sie den Herren mehr Stärke und den Damen mehr Anmut verliehen, so sehr begehrt, dass auch der Adel nicht länger verzichten wollte: Teuer und kunstvoll, aus Silber und Gold, trug sie die Gattin zur Schau, mit viel Haut, in der Oper, dass sogar der Kaiser verzückt vom Balkon runterspannte, sprachlos:
    Elektrische Ziervögel, die auf dem Unterarm zwitscherten. Finger spielten ein Lied, sobald man sie bewegte. Es gab Lampen, eingefasst wie Edelsteine, und Verkleidungen aus Buntglas, von innen erleuchtet wie Kirchenfenster. Dezent unter dem Seidentaft versteckt: mechanische Korsette, die sich selber strafften …
    Welch schwelgerische Pracht!
    Sonntags, beim Pferderennen, protzten die Männer von ihrer Kraft: wie sie den Büffel jagten, durch die Prärie, ohne Kutsche und Ross; einen Leoparden erlegten, mit bloßer Hand, zwischen den trommelnden Schatten des Urwalds.
    Und wie die Väter so

Weitere Kostenlose Bücher