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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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der Gondel ganz vorn, eine Hand am Geländer, den gelähmten Arm an die Hüfte gedrückt, schaute hinaus, seine Miene beschattet vom Gaskörper über ihm, als die Küste am Horizont näher rückte. Morgenlicht flimmerte auf den Propellern, blendete ihn und die großen Generäle, die ihm nahe standen. Am Boden flog die Eisenbahnstrecke dahin – nach Osten, Nordosten, wie eine Kompassnadel, nächste Stationen erst Lauenburg, dann Neustadt, durch Telegraphenbäume vernetzt, deren Kabel nicht länger summten; und keine Schuljungen mehr, die auf Drahteseln den Gleisen nachfolgten, dabei die Töne zu entschlüsseln versuchten, lachten, scherzten, sich mit der Welt verbunden fühlten. Keine Züge, die ratternd nach Danzig fuhren, keine Saatmaschinen auf den Äckern im Landkreis; auch die Straße schien so weit verlassen, bis auf wenige Schemen, die lose oder in Gruppen in der Dämmerung saßen und warteten …
    Ebbe; gerade erst hatte die Flut eingesetzt, noch spähten die Möwen nach Würmern und Aas, und die Luft war erfüllt von ihrem Gekreisch, das bis zu den Brachen drang.
    Hoch oben, vom Zeppelin aus, konnte man draußen auf einem Felsen das Gezeitenkraftwerk sehen: ein Backsteinhaus, weiß getüncht, für die Generatoren darin, und unter dem Meeresspiegel massige Tidenrohre, durch die das Wasser strömen konnte, um die Turbinen zu wälzen. Am Dach waren Leitungen quer über den Strand zu einer Klippe gespannt, dort stand ein Mast, vom nächsten gefolgt, der an der Küste weiterführte: So hing der Zoppot seit jeher am Netz und bezog allen Strom aus Wasser und Wind.
    Außer dem Riesenrad, dessen Gondeln wie Tautropfen glänzten, lag der Jahrmarkt im Dunkeln – die Schiffschaukeln, der Kristallpalast und die Schießbuden; das Kabinett der lebendigen Wachsfiguren. Keine Orgel klimperte, sobald ein Karussell sich drehte, weder Gelächter noch Rufe, wohlige Schreie im Kuriositätenzelt angesichts der Gläser der Monster. Fort der süße Bonbonduft, verschwunden die Hunde, Bären und Affen, die ihre Kunststücke zeigten; die Jongleure, Eisenbieger, Feuerspucker, alle Farben und die Musik – nur Stille, die rauschte, als wäre eine Schellackplatte aufgelegt.
    Es wurde taghell und erste, flache Wellen fluteten die Rohre, da erstrahlte die Teslaspule wie aus reinem Gold, so monumental, dass ihre Kuppel die Sonne verdeckte, weshalb das Jahrmarktportal schattig blieb … und das Lager vor seinen Toren: Planwagen, Zelte. Innen, hinter dem Tuch, zuckte Kerzenschein, verlosch, als die Pilger aus den Unterkünften traten.
    Am Trampelpfad zwischen Suppenküche und Latrine hatten die Quacksalber schon ihre Stände geöffnet, verkauften Radiumsalbe zum Wucherpreis und galvanische Tinkturen. Von einer Kiste warf ein Pastor seine Predigt in die Menge: Weil nicht das Wissen, sondern der Glaube befreite! – daneben spielten Katzen mit Matsch, der durch zahllose Krücken zerstampft war.
    Kotfliegen überall.
    Die Ruhr grassierte, viele hatten sich angesteckt: Gestern waren drei gestorben, ein Müller, ein Kleinkind, ein Professor der Philosophie, rasch unter Löschkalk verscharrt im Massengrab – drei rote Striche auf einem Klemmbrett; das Lazarett überfüllt. Die Ärzte sahen hilflos zu, wie sich die Toten anhäuften; es gab kaum Medizin außer einem Aufguss aus Schwarzbeeren und Wein, den man den Kranken einflößte.
    Trauer, die Köpfe gesenkt. Wer doch aufschaute, erschrak beim Anblick der zerlumpten Gestalten, die über Brotkrumen zankten, einander das Wenige heimlich stahlen oder mit Gewalt abpressten. Ob Monarch, ob Kaufmann – der Luxus war fort; die Klassenschranken eingerissen, der Zylinder verloren, der letzte Manschettenknopf gegen Butter getauscht.
    Hier, im Elend, wurden alle gleich.
    Stumpfsinnig, allein mit sich selbst beschäftigt, hatte kaum einer das Luftschiff bemerkt, das über dem Lager wie ein Sturm aufzog, düster am gewölbten Rumpf, unten, wo der Reichsadler prangte. Auch nicht das Lichtsignal im Fenster der Kanzel, es blitzte golden, einmal kurz, dreimal lang und:
    Das Schmettern von Trompeten!
    Knie an Knie reitend, Steigbügel an Steigbügel, rückte Kavallerie vor und verfiel, um für den Schrecken zu sorgen, in einen kurzen Galopp: Nicht der Säbel, die Peitsche zählte, wenn man sein Volk zusammentreiben wollte wie Vieh. Eingekreist blieb nur der Weg zum Jahrmarkt frei, dessen gusseiserne Tore fest verschlossen waren …
    Steine und Erde spritzten hoch, ein Wirbel aus Hufen, die Rösser schnauften,

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