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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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ihre Söhne, die sich nach Reifenschlagen und Seilchenspringen mit kleinen Heldentaten überboten: Einer hatte die Schildkröten zerquetscht; der andere den Papierdrachen gehalten, bei Sturm … und dass auf dem Jahrmarkt der Lukas recht lustig klingelte, als der Hammer den Kopf traf.
    Der Fortschritt galoppierte.
    Immer neue, immer größere Erfindungen wurden gemacht, man staunte über Cinématographen, über Flugapparate; dem Genie der Ingenieure schienen keinerlei Grenzen gesetzt:
    An jenem Abend, als der Klügste der Klugen seine Laudatio hörte, lächelnd, und nachher beim Sekt auf der Terrasse dozierte, da träumten sie wieder den ewigen Traum, eines Tages selbst den Tod zu beherrschen: von künstlichen Herzen war die Rede, für die Alten und Kranken – und davon, die Ionosphäre in Resonanz zu versetzen, um den ganzen Planeten zum Leiter zu machen.
    So griff man nach den Sternen am Himmel, wo neben dem Funkeln der Elektroden zögernd andere Lichter erschienen, schillernde, bunte Bänder, eine Aurora Borealis: stille Musik, ein Partikel, ein Ton, bis die Melodie zum Sonnensturm wurde, der das Magnetfeld der Erde aufwühlte …
    Jede Schwankung setzte mehr Energien frei. Die Entladungen schlugen ins Hochspannungsnetz, dass Störlichtbögen, dick wie Kabel, über die Teslaspulen peitschten, am Gerüst, an der Kugel oben, ehe die Stromspitzen durch den Äther schossen.
    Papiere gingen in Flammen auf.
    Elektrische Funken spritzten ins Dekolleté, und Rauch quoll aus den Blusen hervor, manches Kleid, mancher Anzug fing Feuer, während die Überspannung durch weitere Stadtteile raste, dann das Arbeiterviertel erreichte und dort die großen Maschinen lahmlegte.
    Schwarzfall!
    Treibriemen, die eben noch fröhlich kreisten, wurden langsam, eierten, nur um kraftlos auszutrudeln; Lastkräne, Fahrtreppen, Ventilatoren, sie standen still – keine Prothese ließ sich bewegen, kein Finger, kein Zeh, auch die Gedanken vom Schrecken gelähmt. Kurz glühten die Carbonfäden nach, eisrot und schläfrig, dann wurden alle Lampen finster.
    Jene, die Glück im Unglück hatten, krochen daheim in den Sessel, auf die Couch, ins Himmelbett und harrten dort aus, leichenblass, und hofften auf neuen Strom; doch viele wurden beim Konzert überrascht, beim Galadiner – oder mitten auf der Straße, als die Gelenke plötzlich nachgaben. Ganz ohne Kraft wogen die Gliedmaßen schwer wie Blei: ein eherner Handschuh, ein Klotz am Bein; man war an Ort und Stelle gefangen. Und keine Hilfe. Die Stunden endlos.
    In den Schatten, gespenstisch vom Nordlicht erhellt, spielte die Angst einem seltsame Streiche: Die Turmuhren starrten als Zyklopen herab; Omnibusse und Kutschen waren zu bösen Tieren geworden, die lauerten, obgleich kein Motor zu hören war, nur das klagende Stöhnen der Leute.
    Der Morgen graute, bevor Rettung kam. Männer der Feuerwache, Polizei, Reservisten durchfuhren die Straßen auf klapprigen Karren, einen Ochsen, einen Gaul vorgespannt, und sammelten die Hilflosen ein, um sie nach Hause zu bringen oder ins Hospital.
    Noch am Tage schien alles reglos erstarrt. Es gab Tote zu beklagen, eine Bibliothek war ausgebrannt, und keine Zeitung erschien, da die Druckerpressen nicht liefen.
    Das Mittelalter einer stromlosen Stadt.
    Weil die Telegraphen der Ortschaften schwiegen, wurden Fesselballons gestartet, um die Schäden zu untersuchen … Ein Blick durchs Fernglas zeigte das Ausmaß der Zerstörung: geplatzte Isolatoren, deren Öl die Überlandmasten versengte; die verkohlten Trafos der Umspannstationen, Spulen, von Ruß befleckt, auch hatte der Sonnensturm die Generatoren der Kraftwerke glatt aus dem Netz geworfen.
    Ein Desaster! Nicht Tage, sondern Monate werden vergehen, ehe die Knotenpunkte repariert sind, lautete der Bericht der Prüfer, im Parlament persönlich vorgetragen, worauf der Reichskanzler den Notstand ausrief.
    Zwei Wochen später.
    Um die gefährdete Ordnung zu retten, stellte die Gendarmerie jeden in Dienst, der freiwillig kam, weder Prothesen besaß noch vorbestraft war; aber die wenigsten Untaten wurden verhindert: Plünderungen und Raub hielten die Viertel in Atem, sobald die Sonne unterging und Gesindel aus den Hinterhöfen kam, die Armen, Elenden, am ärgsten vom Schwarzfall betroffen; ohne Lohn, ohne Brot waren sie zu allem fähig. Man bangte um sein Leben.
    Als das Verbrechen überhand nahm, drang das Militär in die Städte ein, grobe Kerle, fast schon Maschinen, mehr Eisen als Muskeln; und im Ranzen eine dicke

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