Maschinenmann: Roman (German Edition)
erklärte Cassandra Cautery. »Das Herz ist von Syncardia, aber äußerst ungewöhnlich.«
Ich konnte es erkennen. Zumindest die Oberseite. Es lag in einer Stahlschüssel auf einem Tablett rechts vom Chirurgen. Ein rotfleckiger Klumpen aus Plastik und Metall. Es sah seltsam aus. Aber es war ja auch aus nächster Nähe deformiert worden durch den Aufprall von zwei nicht ganz tödlichen Kugeln aus Carls Waffe.
»Ziemlich viel Stahl. Bitte fragen Sie sie danach, sobald sie aufwacht.«
Ich redete nicht mit Cassandra Cautery. Das hatte ich im Rollstuhl beschlossen, während mich Carl durch Korridore schob, die nach frischer Farbe rochen. Mit niemandem würde ich auch nur ein Wort reden, solange Lola nicht wieder gesund war.
»Gott sei Dank haben wir einen Ersatz. Ein Spezialmodell aus unserer Produktion. Und auch die nötigen Geräte, um es ihr einzusetzen.« Sie fixierte mich. »Vor zwei Wochen hat dieser OP-Saal noch gar nicht existiert. Der Bau wurde gerade erst abgeschlossen. Glauben Sie an Glück, Charlie?«
Mein Mund blieb versiegelt.
»Ich auch nicht. Jemand passt auf Ihre Freundin auf, glaube ich. Jemand da oben.«
Zuerst dachte ich, dass sie Gott meinte. Dann wurde mir klar, dass sie vom Vorstand gesprochen hatte.
»Wir haben diese Räumlichkeiten für Sie geschaffen. Für Ihr Projekt.«
»Ich setze das Projekt nicht fort.« Mit dieser Äußerung brach ich meinen Schwur, aber ich konnte sie nicht einfach weiterreden lassen.
Cassandra Cautery machte ein mitfühlendes Gesicht. »In Ordnung, Charlie. Wie Sie wollen.« Sie glaubte mir nicht.
Wir verfolgten die Operation. Nach einer Weile trat der Chirurg mit dem Rücken zu uns beiseite. Lolas Brust war eine rote, feuchte Grube.
»Da sie gerade offen ist«, sinnierte Cassandra Cautery, »frage ich mich, ob wir da nicht gleich noch was anderes machen könnten.«
Wütend schaute ich sie an, aber auch verlegen; ich hatte genau das Gleiche gedacht.
Als Lola aufwachte, war ich an ihrer Seite. Es geschah überraschend, obwohl ich darauf gewartet hatte. Ihre Augenlider flatterten, Dutzende winzige Muskeln zogen sich zusammen, und auf einmal bekam ihr Gesicht einen anderen Ausdruck. Fast ein wenig beunruhigend. Dieses plötzliche Einströmen von Bewusstsein hatte ich noch nie beobachtet.
»Hi«, begrüßte ich sie. Ich fing Lolas Hand ein, die nach den Schläuchen in ihrer Nase fasste. »Du bist operiert worden. Sie mussten dein Herz ersetzen.«
Sie bekam große Augen und tastete nach unten zur Brust. »Zu.«
»Schon gut. Entspann dich einfach.«
»Zu.«
Ich beugte mich vor. »Was?«
»Zu.« Ihre Finger verkrallten sich in meinem Hemd. »Zu.«
»Du darfst dich nicht aufregen. Dein Blutdruck soll nicht steigen.«
Sie zog. Ich gab nach, weil ich Angst hatte, dass ihre Nähte platzen könnten, wenn ich mich wehrte. Ihre Lippen streiften mein Ohr. »Zurück«, wisperte sie. »Herz … muss … zurück.«
»Warum bringen Sie sie nicht dazu, über ihr Herz zu reden?« Diese Frage stellte mir Cassandra Cautery später im Gang. Lola war völlig teinahmslos geworden. Sie starrte die Wand an und reagierte nicht, wenn sie angesprochen wurde. Das brachte mich ins Grübeln. Eigentlich kenne ich sie kaum. Wir hatten gemeinsam mehrere intensive Erfahrungen gemacht, aber wenn ich die Zeit zusammenrechnete, die wir miteinander verbracht hatten, kam ich auf ungefähr vier Stunden. Wenn ein Mensch, den man neu kennengelernt hat, scheinbar völlig seine Persönlichkeit verändert, fragt man sich natürlich, wer er denn nun eigentlich ist. Warum mochte mich Lola? Das hatte ich nie analysiert. Ich hatte ihre Zuneigung einfach hingenommen wie Magie.
»Sie redet über gar nichts. Sie ist apathisch.«
»Sie versuchen es doch gar nicht. Sie sagen bloß immer wieder ihren Namen.«
Schlagartig begriff ich, weshalb eine Wand in Lolas Zimmer aus einem großen Spiegel bestand. »Sie beobachten uns?«
»Charlie.« Cassandra Cautery deutete ein Kopfschütteln an. »Ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, aber was wir hier gemacht haben, diese kleine interne OP, ist nicht ganz legal. Haben Sie eine Ahnung, wie sich eine Führungskraft da fühlt?« Sie legte sich eine Hand auf die Brust. »Ich komme mir vor, als hätte ich das Taufbecken umgekippt.«
»Was?«
»Ein zukunftsfähiges Unternehmen arbeitet innerhalb der Grenzen des Gesetzes. Das da …« Sie deutete auf Lolas Tür. »Das da verstößt gegen alles, wofür ich stehe.«
»Warum haben Sie es dann gemacht?«
Cassandra
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