Maschinenmann: Roman (German Edition)
Schule begleitet, und danach bin ich zum Tor gelaufen, wo er mich abgeholt hat. Ganz vermummt gegen die Kälte war er, man konnte nicht erkennen, dass ihm eine Hand fehlte. Er hatte keine Prothese. Hat nicht eingesehen, wozu so was gut sein sollte. Es hat ihm gefallen zu Hause. Seit Jahren das erste Mal, dass er nicht in der Arbeit war. Wir waren beide ganz traurig, als es vorbei war. Ich wollte, dass er bleibt. Aber natürlich brauchten wir das Geld. Also ging er wieder zur Arbeit.
Vier Tage später ist es passiert. Wieder ein Unfall. Derselbe Arm, bis hoch zum Ellbogen. Wir haben ihn im Krankenhaus besucht. Mom hat geweint und gesagt, dass wir verflucht sind. Aber Dad wirkte gar nicht traurig. Er bekam zehn Wochen Erholungszeit. Danach hab ich ihn gefragt: ›Gehst du jetzt wieder in die Arbeit?‹ Und er hat geantwortet: ›Mal schauen.‹ Zwei Tage sind vergangen. Diesmal war es die Stanzpresse. Mehrere Zehen. Mom konnte sich nicht überwinden, ihn zu besuchen. Sie war am Durchdrehen. Aber ich bin hingegangen. Und ich machte mir Sorgen. Denn jetzt sah er wirklich kaputt aus. Sein Fuß war bandagiert, und der Arm weg. Ich bin zu ihm ins Bett geklettert und hab ihn ganz fest umarmt. Ich hab geweint, weil ich Angst hatte, dass er stirbt. ›Nein‹, meinte er, ›mach dir keine Sorgen.‹ Und dann hat er mir von den Zahlungen erzählt. Er hatte ein Heft, da stand alles drin. ›Verstehst du, Lola? Die Summe der Teile ist größer als das Ganze.‹
Und es hat tatsächlich so funktioniert. Die Zahlung im Todesfall war hunderttausend Dollar. Aber wenn man die einzelnen Körperteile zusammenrechnete, kam dabei viel mehr heraus. Sogar bei der Hand war es so. Wenn man sie auf einmal verloren hat, gab es fünfzigtausend, aber die Finger waren zwischen zehn- und fünfzehntausend und der Daumen sogar zwanzigtausend wert. Man konnte die Zahlen maximieren.
Er meinte, dass es dumm von ihm gewesen war, die ganze Hand auf einmal zu verlieren. Aber nun wusste er genau, wie er es machen musste. Damit ich endlich ein neues Herz bekam. Er hat mich geküsst und gesagt, dass jetzt alles gut ist, für immer.
Die Firma hat einen Mann zu uns nach Hause geschickt, der sich erkundigt hat, ob mein Vater deprimiert war. Ob er davon geredet hatte, sich umzubringen? Sie haben nicht begriffen, wie glücklich er war. Ich hab den Mann angelogen und meinem Vater geholfen, seinen nächsten Unfall zu planen. Wir hatten ein Notizbuch. Wir haben gerechnet und überlegt, welche Körperteile als Nächstes dran waren. Wenn er mich am Abend ins Bett gebracht hat, haben seine Augen geleuchtet vor Freude, und ich wusste, dass ich den besten Dad der Welt habe, weil noch kein Vater sein Kind so geliebt hatte.
Dann, eines Nachts, hat Mom das Notizbuch entdeckt. Ich bin von ihrem Kreischen aufgewacht. Als ich runterkam, hat sie getobt und auf ihn eingeschlagen. Am nächsten Tag hat sie mich zu Hause behalten und mir erzählt, dass Dad krank ist. Im Kopf. Sie hatte ihn einweisen lassen. Ich war unglaublich wütend. Sie wollte mir weismachen, dass er mich gar nicht richtig liebte. Dass er einfach nur verrückt war. Wir haben uns angeschrien. Am liebsten hätte ich sie erwürgt. Danach war es nie wieder so zwischen uns wie zuvor.
Nach einer Weile kam Dad wieder nach Hause. Sie hatten ihn dort einsperren wollen, aber er hatte sie überlistet. Und in der Arbeit konnten sie keinen Entlassungsgrund finden, also ist er wieder hin. Sie haben einen Mann auf ihn angesetzt, einen großen Typen mit Schnurrbart, der ihm gefolgt ist. Sogar wenn Dad mich von der Schule abgeholt hat. Dad hat erzählt, dass sie miteinander aufs Klo gehen. Es war komisch, wie er es beschrieben hat. Wie Spione spielen. Wir haben unser Notizbuch durchgeblättert und ausgerechnet, dass wir es fast geschafft hatten. Wir wussten genau, wie viel wir mit Zinsen für ein neues Herz brauchten. Nur noch ein bisschen. Nur noch ein Fuß.
Erst nach drei Wochen hat er eine Gelegenheit gefunden, als der Mann mit dem Schnurrbart nicht da war. Aber dabei ist was passiert. Mom kam in die Schule, und auf dem Parkplatz hat sie mir gesagt, dass Dad tot war. Er war von einem Motorblock zerquetscht worden. Ich wollte es nicht glauben und rannte nach Hause. Dort habe ich das Notizbuch herausgekramt, und da stand es. Das mit dem Fuß hatte er mir nur vorgeschwindelt.
Die Firma hat uns einen Scheck über hunderttausend Dollar gegeben. Die Auszahlung im Todesfall. Das hätte ihn wahnsinnig geärgert. Hunderttausend
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