Maschinenmann: Roman (German Edition)
man Titan nicht an die Schultern eines Menschen schweißen. Es würde ihn zerdrücken. Doch es ärgerte mich. Ein Exoskelett war Pfusch. Das Aufsetzen einer Technologie auf ein untaugliches System, ohne die Wurzel des Problems zu beseitigen.
Carl stoppte vor einem Servicefahrstuhl und zog seine Ausweiskarte durch. Das war interessant, denn gerade waren seine Hände noch Metallblöcke gewesen. Jetzt hatten sie sich in geschmeidige Finger aufgespalten, die mühelos mit dem Schild hantierten. Anscheinend konnten sie sich in mindestens vier Glieder teilen und wieder zusammenballen, um Schlagkraft zu gewinnen. Für die Hände eines Wachmanns war das sicher keine schlechte Idee.
»Sie kommen unten in der Parkgarage heraus. Dann sind Sie auf sich gestellt. Ich rate Ihnen, dass Sie rennen, so schnell Sie können.«
Lola und ich schoben uns hinein. »Danke, Carl«, sagte Lola.
»Ich tue Ihnen keinen Gefallen. Ich begleiche eine Schuld.«
Lola schaute mich an.
»Ähm«, machte ich. »Danke. Und Entschuldigung.«
Die Aufzugtüren setzten sich in Bewegung. Carl hob die Hand, um sie aufzuhalten. Seine Faust war wieder ein Block. »Wie bitte?«
»Entschuldigung.«
»Dafür, dass Sie mich loswerden wollten? Meinen Sie das? Dafür, dass man mir meine Arme weggenommen hat, weil Sie Ihre Körperteile nicht hergeben wollten? Wollen Sie darauf hinaus? Die Zeit, die ich im Bett gelegen habe mit einem Knopf, auf den ich mit dem Fuß drücken musste, wenn ich Hilfe gebraucht habe, um aufs Klo zu kommen? Ja?«
Er senkte den Arm. Ich hörte das dünne Wimmern eines Servoantriebs. Die Aufzugtüren fuhren wieder aufeinander zu.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen«, bemerkte Carl. »Ich habe jetzt meine eigenen Körperteile.«
Während der Fahrt hinunter blieb Lola schweigsam. Ich riskierte einen Seitenblick auf sie. »Glaubst du, der Aufzug bringt uns wirklich zur Garage. Oder ist es eine Falle?«
Mit steifen Armen starrte sie vor sich hin. »Hast du Carl die Arme weggenommen?«
»Jetzt ist wohl kein günstiger Zeitpunkt, um das zu besprechen.«
»Hast du dafür gesorgt, dass ihm seine Arme weggenommen wurden?«
»Das waren nicht seine Arme.« Als Lolas Lippen zu einem dramatischen Strich wurden, zog ich es vor, die Diskussion zu beenden. »Reden wir später weiter.«
»Ich bin enttäuscht von dir, Charlie.«
Ich fühlte mich schlecht. Die Wirkung des Tetrodotoxins hatte nachgelassen. Natürlich war das im Augenblick nicht meine oberste Priorität, aber Lolas Enttäuschung machte mir zu schaffen. Rumsend bremste der Fahrstuhl. Die Türen brauchten schier eine Ewigkeit, um sich zu öffnen. Ich streckte die Arme aus. »Komm.« Ich sah, dass ihre Brauen abtauchten wie U-Boote. »Ich muss dich tragen.«
Die Türen glitten auseinander. Zuerst konnte ich nichts erkennen. Die Kontraste waren zu stark: der helle Aufzug, die dunkle Garage, das grelle Rechteck, wo die Rampe hinaus ins Sonnenlicht führte. Ich hätte mir Augen einsetzen sollen. Aber die Rufe waren unmissverständlich. Ich hörte Satzfetzen wie Da ist er und Packt ihn.
Lola sprang in meine Arme. Ich umfasste sie und beschleunigte hinaus ins Dunkel. Wie Gewehrschüsse krachten die Contours über den Beton. Lola entglitt mir und rutschte an meine Seite. Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich mich inzwischen an die Contours angepasst hatte. Bei jeder ihrer Bewegungen hatte ich dazugelernt. Zum Beispiel bedeutete ein winziges Klicken an der Hüfte, dass sie gleich lossprinteten und ich eine Ausgleichsbewegung machen musste. Mit einem Menschen in meinen Armen fielen mir diese Dinge viel schwerer. Verzweifelt krallte sich Lola fest. Ich bekam sie wieder zu fassen, dann wichen die Contours einem Wachmann aus, den ich gar nicht bemerkt hatte, und Lola schlitterte mit einem Aufschrei ganz nach hinten auf meinen Rücken. Sie schlang die Beine um meine Taille, und ihre Arme schlossen sich im Würgegriff um meinen Hals. Mir schoss das Wasser in die Augen. Ein Klirren wie von einem metallenen Wasserfall, der sich auf Beton brach, erinnerte mich an die Vorführung eine Strahlenwaffe bei der Präsentation von Prototypen letztes Jahr. Wenn ich mich nicht stark täuschte, war sie weder nicht letal noch nicht verstümmelnd. Wir stürzten hinaus in den Sonnenschein. Lola schwenkte wieder nach vorn und knallte mit der Schädeldecke gegen meine Nase. Einander umschlingend wie ein aufgeregtes Liebespaar spurteten wir auf die Straße. In Sicherheit, befahl ich den Contours. Bringt mich
Weitere Kostenlose Bücher