Maschinenmann: Roman (German Edition)
weil ich mit meinem Tod rechnen musste. Die Contours hämmerten über den Gehsteig und trugen mich zurück zu Lola.
Ich war kein kompletter Idiot. Ich näherte mich nicht von vorn. Neben Better Future stand ein kleines Industriewerk. Ich setzte einen Huf auf den Maschendrahtzaun und drückte. Scheppernd und jaulend riss das Metall aus dem Rahmen. Ich stürmte zwischen hausgroßen Tonnen hindurch und stieß nicht auf einen, sondern auf zwei Zäune, die mich von Better Future trennten, weil die beiden Unternehmen einander nicht trauten. Der Zaun von Better Future war höher, stärker und um einiges wahrscheinlicher mit einem automatischen Alarm gegen unbefugte Eindringlinge ausgerüstet. Ich hob einen Huf und riss den ersten Zaun nieder, überquerte drei Meter Niemandsland und drückte einen Fuß gegen den Zaun von Better Future. Mit einem Schlag zogen sich alle Muskeln in meinem Körper zusammen. Meine Zähne gruben sich in die Zunge. »Farg!« Mit zitternden Nerven wich ich zurück. Keine Ahnung, warum ich nicht damit gerechnet hatte, dass dieses Ding unter Strom stand. Zum Glück war meine Elektronik gut isoliert, sonst wäre es zu einem demütigenden Ende gekommen. Ich blickte mich nach etwas Nützlichem um, beispielsweise einem hohen Baum, den ich umstoßen konnte, aber ich sah nur Stangen, Gerüste und andere Gegenstände, die ausgezeichnet leiteten. Ich wandte mich wieder dem Zaun zu. Er war ungefähr vier Meter hoch. Vielleicht konnte ich darüberspringen. Ich war nie dazu gekommen, die vertikale Sprungkapazität der Contours unter kontrollierten Bedingungen zu testen, aber ich konnte mich noch gut an den Zwanzigmetersatz bei meinem ersten Ausflug mit ihnen erinnern. Ich konzentrierte mich auf einen Fleck perfekten Rasen auf der anderen Seite des Zauns und dachte: Bringt mich dorthin.
Die Beine gingen in Stellung. Ich spannte mich an, als könnten meine biologischen Muskeln mithelfen, und die Beine sprangen. Mein Torso wurde zusammengestaucht wie ein Akkordeon. Wieder biss ich mir auf die Zunge. Als ich über den Zaun segelte, ließ ich den Sitz los und ruderte wild mit den Armen, weil mein Körper sich noch immer nicht darauf eingestellt hatte, dass er an zwei Tonnen Titan hing. Die Contours krachten auf den Boden, und ich pendelte im Sitz nach vorn. Ich atmete durch. Alles in Ordnung. Gar nicht mal schlecht. Noch nie hatte ich mit den Contours einen Sprung absolviert, der mir so wenig Angst eingejagt und Schaden zugefügt hatte. Allmählich krieg ich den Bogen raus. Ich wandte mich dem BetterFuture-Komplex zu. Ach Scheiße. Die Contours hatten ja Probleme mit Treppen. Das hieß, zwischen den Stockwerken konnte ich nicht laufen. Warum hatte ich das nicht schon längst behoben? Warum war mir das nicht eingefallen, bevor ich auf den Rasen gehüpft war? Ich glaubte, Lolas Balkon zu erkennen und dachte: Spring und Spinnst du, das sind doch mindestens zwanzig Meter. Ich näherte mich dem Gebäude, aber ohne große Begeisterung. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das konnte. Zwar fiel mir kein logischer Grund dafür ein, warum es nicht funktionieren sollte, aber es war einfach unglaublich hoch und der sichere Tod, falls ich einen Fehler machte. Ist das überhaupt der richtige Balkon? Ich weiß nicht mal, ob sie da drinnen ist. Ich blieb stehen. Ich fühlte Erleichterung, dann Scham. Ich dachte: Scheiß drauf, ich mach es und überlegte es mir wieder anders. Auf meinen Rippen prickelte der Schweiß. Mein Bizeps pochte. Das muss medizinisch versorgt werden. Ich sollte es anschauen lassen, bevor ich mich zu überstürzten Aktionen hinreißen lasse, die vielleicht alles noch schlimmer machen. Lolas Balkon war weit oben. Wirklich sehr weit oben.
In diesem Moment schlingerte mit brüllendem Motor ein Hummer von Better Future um die Ecke. Die Reifen rissen ganze Erdklumpen heraus und spuckten sie über das Gras. Er schleuderte in die eine, dann in die andere Richtung. Die Schnauze richtete sich auf mich. Ich stand da wie erstarrt. Schließlich hob ich die Hände. Ich wollte nicht niedergeschossen werden. Der Hummer beschleunigte, und ein Teil meines Gehirns teilte mir mit, dass diese Beschleunigung weit über das bloße Bedürfnis hinausging, mich schnell zu erreichen. Ich ignorierte diese Information, die einfach nicht stimmen konnte, bis sie unumstößlich und kein Ausweg mehr möglich war.
Es gibt so eine Redensart: Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles aus wie ein Nagel. Ich hatte einen Hammer. Einen Titanhammer
Weitere Kostenlose Bücher