Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
weiße Augen, ein kalter Blick. Staub. So viel Staub. Ihre Mutter, die schrie und weinte. Anspannung im ganzen Raum. Schmerzen auf ihrer Hand. Das Blut. Der Spiegel. Die Scherben. Ihr Gesicht. Die Maske …
Ihre Hand fuhr zur Nase, ertastete den Riss. Die Maske! Sie war zerstört, zu Staub zerfallen, einfach zerstört. Alles war zerstört. Ihr Leben, ihre Zukunft, sie selbst. Nichts war zurückgeblieben. Nur die Erinnerung. Sie hatten sie verhaftet, abgeführt wie eine Verbrecherin. Dabei war sie unschuldig. Hanneí hatte sie verraten, ihre Mutter hatte sie beschützen wollen. Ihr Vater – er hatte nichts getan. Nichts. Er hatte sie nicht einmal angeschaut. Plötzlich war der Schmerz in ihrer Brust wieder da, und sie begann unkontrolliert zu zittern.
»Ruhig«, murmelte Gamón, so als spräche er mit einem Pferd.
Ferin kippte zur Seite, und er fing sie auf, hielt sie in seinen Armen, streichelte ihre Schultern. Es dauerte lange, bis das Beben ihren Körper verließ und sie sich beruhigte.
Er drückte sie nach oben in sitzende Position. »Besser?«
Nichts ist besser, dachte Ferin. Es gibt kein Besser mehr. Wenigstens waren die Schmerzen weg, ihr Körper fühlte sich betäubt an. Sie nickte.
»Du bist ja nicht gerade hart im Nehmen, mein Mädchen«, fing Gamón wieder zu reden an. »Vergisst zu atmen, zitterst, als würdest du erfrieren, klappst mir zusammen. Wie soll das weitergehen? Ich weiß nicht, wer mir mehr Probleme macht – sie«, er wies auf das zusammengekauerte Wesen in der Ecke, »oder du. Ich habe es wirklich nicht leicht mit euch. Kann mich nicht um alles kümmern, weißt du. Muss auch mal an mich denken.«
Gamón schaute sie betrübt an. Sie konnte Leid und Entbehrung in seinen wässrig grünen Augen sehen und den Kampf, den er sein Leben lang geführt hatte. Gegen die Dunkelheit. Gegen die Maske.
Ferin löste sich von seinem Elend. Keiner von ihnen hatte es leicht. Neugierig kroch sie zu dem Bündel hinüber, suchte in dem Berg aus Kleidung, Armen und Beinen den Kopf. Sie fand blondes Haar und ein Gesicht, das sie nur zu gut kannte. »Jasta.«
»Du kennst sie?«, fragte Gamón. »Na, das ist ja eine Überraschung! Das hätte ich nicht gedacht.«
»Nein. Ich kenne nur ihren Namen. Was ist mit ihr?«
»Mit ihr? Ach … nichts. Sie schläft. Das ist das Beste, was uns passieren kann, sage ich dir. Wir können froh sein.«
Ferin berührte Jastas Stirn. Das Mädchen glühte. Die Lippen waren aufgesprungen, durch ihren offenen Mund strich der Atem so leicht, dass er auf Ferins Hand kaum zu spüren war.
»Sie ist ganz heiß«, sagte sie. »Ich glaube, sie braucht Wasser.«
»Das halte ich für keine gute Idee. Sie hat die ganze Nacht geschrien und getobt. Ich konnte kein Auge zumachen. Es war grausam. Dabei wäre die Matratze bequem gewesen, nicht zu hart, nicht zu weich. Aber ihr Geschrei … Die Wärter hätten sie erschlagen müssen, damit sie aufhört.«
Ferin konnte sich gut an Jastas Gebrüll erinnern. Gamóns Gerede war nicht weniger mühsam. Sie griff nach dem Wasserbeutel, doch der Alte war schneller.
»Nein«, sagte er entschieden. »Sie wird uns das Leben zur Qual machen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
»Aber Gamón …« Jasta sah nicht gut aus. Wenn sie nichts zu trinken bekam, würde sie sterben. Vielleicht bald. So genau wusste Ferin das nicht. »Ohne Wasser wird sie sterben.«
Er zerrte am Beutel, bockig wie ein Kind, das sein Spielzeug nicht hergeben will. »Nein, nein. Das ist nicht gut.«
»Und wenn sie stirbt? Das ist auch nicht gut.«
Seufzend ließ er los.
Ferin hielt Jasta den Beutel hin. »Hier, trink.«
Die kleine Pheytana stöhnte und blinzelte, nahm von ihrer Umgebung aber nichts wahr. Ferin hob ihren Kopf in die Armbeuge und träufelte Wasser auf ihre blutigen Lippen. Jasta leckte die Tropfen ab, und Ferin konnte ihr ein wenig einflößen.
Gamón tippte ihr auf die Schulter. »Genug«, sagte er. »Wir brauchen das Wasser, die Fahrt ist lang, keine Frage.«
Ehe Ferin reagieren konnte, entriss Jasta ihr den Beutel und trank gierig, bis er leer war. Anschließend schleuderte sie ihn zur Seite, richtete sich auf und sah zum Himmel. Die Sonne brannte gnadenlos herab.
Und kein Wasser, dachte Ferin. Wer weiß, ob die Gardisten uns noch etwas geben?
»Wie lange sind wir schon unterwegs?«, fragte Jasta. Es war nicht ganz klar, wen sie damit ansprach.
Gamón würdigte sie keines Blickes, Ferin zuckte die Achseln.
Jasta rollte mit den Augen.
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