Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
dachte …«
»Ich denke, du solltest gehen«, sagte er kalt. »Du auch, Jasta. Geht!«
Jastas Augen irrten zwischen Ferin und Sobenio hin und her, als wäre sie nicht ganz sicher, was sich da eben zwischen den beiden abgespielt hatte.
»Das ist lächerlich«, hob Ferin noch einmal an. »Ich bin bestimmt keine …«
»Geh!«, schrie Sobenio. »Raus, sofort!«
Ferin stolperte erschrocken vor ihm zurück. Drehte sich um und stieg über den Bretterhaufen, der von der Tür übrig geblieben war. Sie ging mechanisch vorwärts, ohne auf den Weg zu achten, hinein in die dichte Feuchtigkeit des Dschungels. Wie Nebel hing sie vor ihren Augen.
Nach einigen Schritten schob sich Jasta an ihr vorbei und stellte sich breitbeinig vor sie hin. »Bist du übergeschnappt?«, zischte sie. »Was sollte das denn gerade? Er sagt dir, du hättest die Gabe, andere zu heilen, und du möchtest das nicht?«
Ferin begnügte sich mit einem Achselzucken.
»Man mag über Sobenio denken, was man will«, wetterte Jasta weiter, »aber dein Verhalten ist …«
» Mein Verhalten?« Der aufgestaute Druck entlud sich und sprudelte in einem aufgeregten Wortschwall aus Ferin heraus. »Was ist mit seinem Verhalten? Ich musste ihm den Kopf rasieren! Du musstest seinen Kessel putzen und Fische mit der Hand fangen. Erzähle mir nicht, dass dir das gefallen hätte!«
»Nein, natürlich nicht.« Jasta fühlte sich in der Rolle der Beschwichtigenden sichtlich unwohl. »Aber es geht nicht darum, ob es mir gefällt. Er entscheidet, was richtig ist.«
»Weshalb wolltest du es dann nicht tun?«
»Weil …« Trotz zuckte in Jastas Augen auf. »Ich wollte mich mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Degenkampf, Faustkampf, was auch immer. Nicht Fische fangen. «
»Kampf?« Ferin maß die kleine Pheytana mit einem abschätzenden Blick. Gut, sie verstand es meisterhaft, mit verletzenden Worten um sich zu schleudern, aber einen Degen mit ebensolcher Schlagkraft zu führen, traute sie ihr nicht wirklich zu.
Jasta nickte. »Ich bin eine Kämpferin, Ferin. So wie Akur.«
»Hat er das gesagt?«
»Sobenio? Das braucht er nicht. Ich weiß es.«
»Na gut«, erwiderte Ferin bissig, »und ich weiß, dass ich niemanden heilen kann.«
Jasta stemmte die Arme in die Hüften. »Und woher, bitte schön, beziehst du deine schlaue Erkenntnis?«
»Wenn du es weißt, weshalb sollte ich es nicht auch wissen?«
»Du weißt es nicht«, sagte Jasta mit Nachdruck, »du kannst es nicht wissen. Du hast keinen Schimmer davon, was du bist oder wer du bist. Du bist in der Welt der Merdhuger aufgewachsen. Niemand hat dir je etwas über unsere Kräfte erzählt. Du hast sie in dir unterdrückt, dein Leben lang. Und auf einmal wirst du überschüttet mit so unfassbaren Dingen wie Magie oder zahmen Tigern. Du stehst völlig neben dir, also erkläre mir nicht, dass du weißt, was du kannst.« Sie warf Ferin einen letzten prüfenden Blick zu, dann wandte sie sich um und marschierte davon.
»Warte …«, stammelte Ferin hilflos, aber Jasta war schon zwischen den Bäumen verschwunden.
Du stehst völlig neben dir … Wie wahr. Hatte die Standpauke Ferin zunächst in sprachloses Erstaunen versetzt, so dämmerte ihr allmählich, wie recht Jasta damit hatte. Noch vor wenigen Tagen war sie dem Tod näher gewesen als dem Leben, und nun jagte es ihr mit Riesenschritten voraus. Sie konnte es nicht einholen. Läufer, Redner, Kämpfer, Magier, und sie, eine Heilerin! Das Fass war randvoll mit Unerklärlichem, nicht Nachvollziehbarem, und dies war der Tropfen, der es zum Überlaufen brachte.
Schleppend kroch das Verständnis in ihr Bewusstsein. Ihr Verhalten von vorhin kam ihr nun unangebracht vor. Stillstand? War sie noch bei Trost? Siebzehn Jahre hatte sich nichts bewegt, und nur, weil sie nicht über das Tempo einer lahmen Schnecke hinauskam, wollte sie die Wogen, mit denen ihr neues Leben über sie hinwegbrauste, gegen Passivität und Verzicht eintauschen? Nicht Sobenios oder Jastas, sondern ihr eigener Geisteszustand war es, der in Frage stand.
Unwillkürlich hob Ferin die Hände – gute Hände – und starrte darauf, als könnte sich deren Heilkraft in ihren Handflächen offenbaren wie Buchstaben in einem Buch. Gamóns Tod schoss ihr in den Sinn. Womöglich hätte sie ihm helfen können. Ihn retten können …
Ihr Herz machte einen Satz, als ihr klar wurde, wofür sie sich längst entschieden hatte: Du musst zurückgehen. Aber was sollte sie Sobenio sagen? Dass ihr alles zu schnell
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