Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
auf. Hemd und Hose hingen wie ein feuchter Umschlag an ihrem Körper, ihr Rücken schmerzte vom vielen Bücken, und bei jedem Hinhocken verkündeten ihre Knie und Oberschenkel einstimmig, dass sie genug hatten. Dabei war sie noch nicht einmal bis zum Zentrum der Misere vorgedrungen, das sich an der Rückseite des Hauses befand.
Schluss. Ich kann nicht mehr.
»Komm herein«, befahl Sobenio von drinnen, und sie wankte ins Haus.
Er saß am Tisch über ein Buch gebeugt, das Licht der Öllampe warf seinen warmen Schein auf die beschriebenen Seiten. Sehnsüchtig streifte Ferin die Bücher im Regal mit einem Blick. Wie gern hätte sie eines davon in Händen gehalten. Nur eines.
»Wie geht es voran?«, fragte er, ohne aufzusehen.
»Ich werde noch einige Tage brauchen.«
»Das ist mir klar. Kommst du zurecht?«
»Es geht schon«, murmelte sie. Sie wollte sich nicht beschweren, seine Forderung war eindeutig gewesen: Du wirst tun, was ich dir sage.
»Gut.« Er wandte sich nach ihr um. Schatten tarnten sein Gesicht, und sie konnte nicht einmal erahnen, wie er dreinblickte. »Morgen wirst du Pause machen, und wir werden uns den Heilpflanzen widmen.«
Ferin atmete auf. Sie hatte nicht gewagt, sich einen weiteren Tag Tortur vorzustellen.
»Wie ich gesehen habe, hast du dir ein gutes System überlegt und meine Bestände tadellos geordnet«, lobte er sie unerwartet.
Er war draußen gewesen? Sie hatte nicht mitbekommen, dass er ihre Arbeit überprüft hatte.
»Ich hoffe, es ist dir recht so«, erwiderte sie.
»Aber sicher.«
Sobenio schwieg, und sie verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Bloßes Stehen war eine Plage, sie wollte sich nur mehr auf ihrer Matte ausstrecken und schlafen. Davor allerdings musste eine weitere Hürde genommen werden: der Rückweg ins Dorf. Durch den nächtlichen Dschungel. Auf einem Pfad, den sie nicht einmal bei Tageslicht hatte erkennen können.
»Hunger?«, fragte er.
»Geht so.«
Er erhob sich. »Ich komme mit. Allein wirst du den Weg nicht finden, und wir wollen doch nicht, dass du verloren gehst.«
Ferin nickte dankbar. Eine größere Belohnung konnte es nicht geben.
Sie waren gerade durch den Eingang, als er abrupt stehen blieb. »Die Lampe. Geh zurück und lösche sie.«
Sie kehrte um und trat zum Tisch. Es war wie ein innerer Zwang, auf die Buchseiten zu blicken. Das Schriftbild war regelmäßig und leicht schräg, die Buchstaben deutlich und mit Sorgfalt gesetzt. Djomart, entzifferte sie, und beim Weiterlesen wurde ihr klar, dass es sich um eine Heilpflanze handeln musste. Der Name war fein säuberlich unterstrichen, darunter fand sie einige Zeilen über Wirksamkeit und Anwendung der Pflanze. Eine weitere Pflanze folgte und wieder eine. Sie blätterte eine Seite um: dieselbe Einteilung. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Das würde das Lernen um vieles erleichtern. Was sie einmal gelesen hatte, brannte sich unweigerlich in ihr Gedächtnis ein.
Als sie rasche Schritte gewahrte, fuhr sie herum. Der Magier stand hinter ihr.
»Du kannst lesen?« Überrascht starrte er sie an. »Schreiben auch?«
»Ja. Ich hatte Unterricht«, bestätigte Ferin nicht ohne Stolz.
»Nun, das ändert alles«, sagte er, klappte das Buch zu und klemmte es unter den Arm. »Dann brauchst du morgen gar nicht zu kommen. Wir nehmen es mit, und du liest erst einmal.«
Ferin war bemüht, die Aufregung in ihrem Inneren auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Sie durfte lesen. Lesen! Allein. Solange sie wollte.
»Aber pass ja gut darauf auf! Es enthält mein ganzes Wissen.«
»Natürlich.«
»Gut, dann hoffe ich, dass du mir morgen Abend einiges daraus erzählen kannst.«
Er löschte das Licht, und sie standen im Dunkeln. Es gab jetzt noch etwas anderes als eine unglückliche Vergangenheit, das sie einte: die Fähigkeit, das gesprochene Wort in Schrift zu verwandeln, auf Papier zu bringen und die Buchstaben dort wiederzufinden. Geschriebenes zu lesen.
Sie geht durch eine lichtdurchflutete Halle. Bücherschluchten zu beiden Seiten, Teppiche, die jedes Geräusch schlucken. Nur seine Stiefel knarren. Ein Mann. Er folgt ihr, ist stets einen Schritt hinter ihr. Beinah ein Teil von ihr und doch ein Fremder. Er ist auf der Suche, so wie sie.
Ihre Hand streift samtig weiches Leder, Buchrücken um Buchrücken, bis sie es findet. Ein Buch, klein und unscheinbar. Sie zieht es heraus. Sein Atem wärmt ihren Nacken, sein Körper ist ihrer, er klappt es auf. Buchstaben, Worte. Bekannt. Ersehnt.
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