Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Zug … Die Bewegung zu ihrer Linken, an der Wandkante im Spalt zum Dach, gewahrte sie nur als schnellen Schatten. Er reichte aus, um sie abzulenken. Das Messer fuhr ungebremst in ihren Zeigefinger. »Au!«
Der Schnitt war tief, schon schoss das Blut hervor. Ihr nächster Schrei war mehr entsetzt als erschrocken. Da oben, genau auf der Kante, hockte ein Reptil, so lang wie ihr Unterarm, und guckte sie aus einem starren Auge an.
»Ich sagte doch, dass die Klinge scharf ist.« Sobenio folgte ihrem Blick. »Und ich sagte: ›Gib auf das Tier acht.‹«
Er entwand ihr das Messer und legte es auf den Tisch. »Lass sehen.«
Ferin hielt Sobenio den Zeigefinger hin, richtete die Augen aber unbeirrt auf das Wesen auf der Holzwand, das sich, in tänzerischer Leichtigkeit und ein Bein vor das andere gesetzt, mit den Zehen an der Kante festklammerte. Seine Schuppenhaut wies eine interessante Musterung verschiedenster Braun- und Grüntöne auf und bedeckte sogar die Augenlider. Die Augen hoben sich wie umgestülpte Schüsseln vom Kopf ab und waren beweglich. Der Kopf selbst verbreiterte sich an der Oberseite und ging in einen schmalen Rückenkamm über, der bis in den langen Schwanz auslief, dessen Spitze zu einem kleinen Schneckenhaus zusammengerollt war und entspannt nach unten baumelte.
Das war also das Tier.
Ferin verzog die Mundwinkel. Weshalb klärte man sie hier eigentlich immer nach einem Erstkontakt mit den diversen Lebewesen über deren Existenz und ihre Eigenheiten auf? Verstimmt und ohne dem Frieden über ihrem Kopf zu trauen, beobachtete sie Sobenio, der eine der Truhen geöffnet hatte und sich von einem mustergültig geordneten Stapel ein Tuch angelte. Er wickelte es um ihren Finger, langte nach der Schale und begutachtete die schleimigen Überreste seiner Kopfrasur.
»Hm. Ich sollte dir besser frische Paste machen. Obwohl … so schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
»Nein«, wehrte Ferin ab, denn die Aussicht, das Zeug, das sie ihm gerade eben vom Kopf gekratzt hatte, auf ihren Finger gestrichen zu bekommen, ließ Wellen von Ekel in ihr hochsteigen. »Es ist nicht schlimm. Wirklich nicht.«
»Ha!«, rief er. »Ich weiß, was ich dir gebe.«
Er stellte die Schale ab und schoss wie der Blitz durch die Tür. Ferin trat vorsorglich einen großen Schritt zurück. Wer wusste schon, ob dieses Tier – oder wie es in Wahrheit hieß – sie nicht vielleicht ansprang?
»Es ist nur ein Chamäleon, völlig harmlos«, folgte die Erklärung von draußen, und Ferin erblasste ob der Übereinstimmung ihrer Gedanken. »Ab und zu spinnt es ein bisschen«, das Rumpeln im Vorbau ließ die Wände wackeln, »so wie jeder andere auch, aber momentan ist es ganz friedlich.«
Es spinnt ein bisschen? Und wie äußert sich das? Ferin hatte noch niemals von einem Chamäleon gehört und beeilte sich, ihrer Phantasie die wenig erfreulichen Vorstellungen von spinnen zu untersagen.
»Keine Sorge. Es springt einfach wie aufgezogen im Haus umher«, beantwortete Sobenio ihre unausgesprochene Frage. Er kam wieder herein, gefolgt von Jasta. »Stell den Kessel neben der Tür ab«, wies er sie an.
Ferin spähte misstrauisch über den Rand der Tonschale, die er bei sich hatte. In einem Fingerbreit Wasser schwamm ein einzelnes braunes Blatt.
»Es muss noch einweichen, das dauert eine Weile«, erklärte er in auffallend umgänglichen Ton – plagten ihn etwa gar Schuldgefühle? »Aber es nimmt den Schmerz, und die Wunde heilt schneller.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Ferin schnell. »Morgen ist es auch so verheilt.«
Sobenio erstarrte. »Was sagst du?«
»Morgen ist es verheilt.«
»Verheilt?« Er schüttelte den Kopf, die Tigerzähne pendelten in den schlaffen Ohrläppchen. »Ein solch tiefer Schnitt heilt nicht innerhalb eines Tages. Unter dem Einfluss von Magie und mit Hilfe hochwertiger Heilkräuter – ja. Aber von selbst – nein. Bestenfalls schließt sich die Wunde. Also, was willst du mir da weismachen?«
»Ich lüge nicht.«
»Das habe ich nicht behauptet.«
»Es ist immer so bei mir. Alle Verletzungen heilen ganz schnell. Meine Haut ist irgendwie … anders.«
»Anders?« Er stellte die Schale auf den Tisch und nahm auf dem Hocker Platz. »Komm her, komm her!« Ungeduldig winkte er sie heran. »Deine Hände.«
Zögernd streckte Ferin die Hände vor. Was wollte er nun schon wieder von ihr? Jastas Gegenwart steigerte ihr Unbehagen noch, sie gaffte mit dem Chamäleon um die Wette. Sobenio löste das Tuch von
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