Maskenball
Bequemlichkeit oder Zeitmangel. Heutzutage haben die Wenigsten Zeit für die Familie, geschweige denn für die Pflege ihrer Angehörigen.« Frank schloss die Tür seines MGBs auf.
»Ich jedenfalls werde meine Eltern nicht im Stich lassen.« Ecki ließ sich auf den Sitz fallen.
»Lisa hat auch schon gesagt, dass sie ihre Eltern zu sich nehmen wird, wenn sie einmal nicht mehr können.«
»Ich bin jetzt auch hundemüde. Ich bin froh, wenn ich mich noch ein paar Stunden ausruhen kann. Im Moment ist es bei uns nicht so einfach. Enrica kommt jede Nacht, weil sie in ihrem Bett Angst hat. Ich bin dann jedes Mal hellwach und kann dann nur schlecht wieder einschlafen.« Wie zur Bestätigung gähnte Ecki mit offenem Mund. »Da fällt mir ein, Leenders hat mir gesagt, dass du dir endlich angewöhnen sollst, Handschuhe zu tragen. Wenn du das so nicht kapierst, will er dem Polizeipräsidenten eine Mitteilung schicken.«
»Lass mich mit Leenders in Ruhe.« Dafür, dass sie mit dem Wagen mitten in der Nacht in der Brüggener Fußgängerzone standen, ließ Frank sein Cabrio beim Gasgeben eine Spur zu laut aufheulen. Als sie an der Kirche vorbei Richtung Schwalm fuhren, warfen die Fassaden der eng stehenden niedrigen Häuser das Motorengeräusch um ein Vielfaches zurück. Spätestens jetzt war es mit der Ruhe in dem beschaulichen Städtchen nahe der ehemaligen Grenze vorbei. Aber was war ein altes, lautes Cabrio schon gegen einen perfiden Mord? Brüggen hatte jedenfalls eine neue Sensation.
Breuers Tochter hatte die Nachricht vom Mord an ihrem Vater nahezu ungerührt aufgenommen. Still hatte sie den Erklärungen der beiden Ermittler zugehört und dabei eine Zigarette nach der anderen geraucht. Frank hatte die Frau auf Ende vierzig geschätzt. Sie hatte einen abgearbeiteten und kraftlosen Eindruck gemacht, ihre Haut war grau und faltig, um ihre Augen hatten sich breite dunkle Schatten gelegt. Ihre schmale Gestalt hatte in der altmodischen und stillosen Sitzgruppe zerbrechlich und verloren ausgesehen. Ihre Blicke und ihr müdes Gesicht hatten auf Frank wie eine stumme Anklage gegen ihr Leben gewirkt, vom dem sie nicht mehr allzu viel zu erwarten schien.
Auch Karin Breuer konnte sich nicht erklären, warum man ihren Vater hätte umbringen sollen. Sicher, sie wusste, dass ihr Vater unberechenbar gewesen war, wenn er getrunken hatte. Aber darüber hinaus hatte es nie Anzeichen dafür gegeben, dass er deswegen Opfer eines Mordes hätte werden können. Die Nachbarn hatten sich zwar regelmäßig beklagt, wenn sie im Haus gewesen war, um den Flur zu putzen, aber was hätte sie denn tun können? Ihr Vater hatte sich nie um das geschert, was sie ihm gesagt hatte. Geschweige denn, dass er irgendeinen Wert auf die Meinung der Nachbarn gelegt hatte. Sie hatte lange Zeit sein Verhalten für normal gehalten. Erst viel später habe sie erkannt, wie sie Frank und Ecki zu erklären versuchte, dass das Leben nicht nur aus Streit und Alkohol besteht. Aber da sei es für ihr Verhältnis zu ihrem Vater schon zu spät gewesen. Sie habe dann irgendwann aufgegeben, ihrem und dem Leben ihres Vaters eine neue Perspektive geben zu wollen.
Als Frank sie auf die Fotos angesprochen hatte, war sie in Tränen ausgebrochen. Das seien Fotos ihres Vaters als junger Soldat gewesen. Außerdem seien Fotos von ihrer Mutter und ihrem Vater aus den 50er Jahren dabei. Die Bilder seien bei einem Ausflug mit Freunden an den Rhein gemacht worden. Damals sei sie zu klein gewesen, um dabei sein zu können. Sie könne sich aber sehr wohl an ihre Kindheit erinnern, die sehr glücklich gewesen sei. Sie seien eine fröhliche Familie gewesen, bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter gestorben war. Plötzlich und unerwartet an Krebs. Seither sei es nie wieder so gewesen wie zuvor. Sie hatte den beiden Kriminalbeamten noch ihr eigenes Album mit Familienbildern zeigen wollen, aber da hatten sich Frank und Ecki schon verabschiedet.
Bevor die beiden gegangen waren, hatte Frank ihr noch mitgeteilt, dass der Tatort vorläufig gesperrt blieb. Auch, dass der Körper ihres Vaters noch nicht freigegeben werden würde. Auch das hatte Karin Breuer still und ohne sichtbare Regung hingenommen.
Es war schon gegen Morgen gewesen, als Frank endlich vor Lisas Wohnung am Schmölderpark geparkt hatte und ins Bett gekommen war. Obwohl er leise die Tür aufgeschlossen hatte und auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer gekommen war, hatte Lisa noch wach im Bett gelegen. Er hatte sich still zu ihr gelegt, und Lisa
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