MASKENBALL UM MITTERNACHT
jeden Moment zu einer hässlichen Grimasse entgleiten. Und ihre hellen Augen waren voller Groll und Hass. Callie musste sich eingestehen, dass sie dieser Frau wahrlich keine freundlichen Gefühle entgegenbrachte, und verabschiedete sich kühl und knapp von ihr.
Beim Verlassen des Hauses war Callie sich Bromwells hoher Gestalt neben ihr deutlich bewusst, und ihre Hand an seiner Armbeuge zitterte ein wenig. Francescas Kutsche mit dem Zweiergespann rollte aus der Scheune, Rochford ging neben dem Wagen her. Francesca eilte ihm entgegen und ließ Callie einen kurzen Moment mit Lord Bromwell allein.
„Callie, ich …“ begann er.
„Nein, bitte nicht“, fiel sie ihm mit erstickter Stimme ins Wort und hob ihm ihr Gesicht entgegen. Obgleich sie befürchtete, in Tränen auszubrechen, konnte sie nicht widerstehen, ihn ein letztes Mal anzusehen. Tief in ihrer Brust, wo ein kalter Knoten ihr das Herz zuschnürte, wusste sie, dass sie ihn nie wiedersehen würde.
Trotz allem, was seine Schwester in ihrer Niedertracht geplant hatte, würde Brom sich nie von Daphne abwenden. Sie war sein Fleisch und Blut, während Callie … Sie wusste nicht einmal, was sie ihm bedeutete. In dieser Nacht voller Leidenschaft hatte er kein Wort von Liebe oder Zuneigung gesagt. Im Übrigen war sie die Schwester des Mannes, den er seit Jahren hasste, ein Mann, mit dem er sich vor einer knappen Stunde einen erbitterten Faustkampf geliefert hatte.
„Ich muss bleiben und mit Daphne reden“, fuhr er fort.
„Ich weiß.“ Callie ließ seinen Arm los und wandte das Gesicht zur Seite, bemerkte, wie ihr Bruder sich näherte, und brachte kein Wort mehr heraus. Außerdem war sie den Tränen zu nahe, und wenn Sinclair ihre Tränen sah, wäre Francescas ausgeklügelte Lügengeschichte umsonst gewesen. Das Letzte, was sie ertragen könnte, wäre eine weitere Prügelei zwischen den beiden Männer, die sie liebte.
„Callie, warte! Geh noch nicht“, bat Bromwell leise und wollte sie zurückhalten.
„Nein, bitte nicht.“ Callie sah ihn hinter einem Tränenschleier an. „Ich muss gehen. Leb wohl, Brom.“
Sie presste die Lippen aufeinander, um die Worte zurückzuhalten, die aus ihr herauszusprudeln drohten: Ich liebe dich.
Callie raffte die Röcke und eilte zur Kutsche. Erleichtert sah sie, dass Francesca das Wort an Sinclair gerichtet hatte, und sie den Wagen besteigen konnte, ohne von ihm angesprochen zu werden.
Die Aufmerksamkeit des Dukes war ohnehin auf Francesca gerichtet, er sah sie mit einer hochgezogenen Braue an, nickte zum Pferdegespann hinüber und sagte: „Der Kutscher rieb vorhin die Pferde ab, die … ehm … einen ziemlich erschöpften Eindruck machen, obwohl sie doch eine ruhige Nacht in der Scheune verbrachten.“
„Seltsam“, bemerkte Francesca leichthin. „Aber es sind nicht meine Pferde. Wir mussten unterwegs natürlich das Gespann auswechseln. Mein Kutscher geht normalerweise sorgfältig mit den Tieren um. Aber vielleicht war er nachts zu müde und hat sich gleich schlafen gelegt. Mir erging es jedenfalls so.“
„Tatsächlich?“ Der Blick des Dukes durchbohrte sie.
Francesca sah ihn unverwandt an. „Aber ja. Wieso sollte ich es sonst erwähnen? Fragen Sie doch Ihre Schwester. Das Jagdhaus ist klein, und wir mussten uns ein Zimmer teilen.“
Er fixierte sie noch einen Moment, dann nickte er knapp. „Nun gut. Wir wollen aufbrechen, bevor diese aufdringliche Person uns nachläuft und mit weiteren Fragen belästigt.“
Rochford half Francesca in den Wagen und begab sich zu seinem Pferd, das an einem Pfosten vor dem Haus angebunden war. Francesca nahm neben Callie Platz, und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
„Geht es dir gut, meine Liebe?“, fragte Francesca besorgt und ergriff Callies Hand.
Callie nickte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen.
„Bist du sicher? Du kannst mir alles sagen, das weißt du. Niemand wird ein Sterbenswörtchen von mir erfahren.“
„Es gibt nichts zu erzählen“, sagte Callie leise und lächelte schwach.
„Nun denn, wie du wünschst.“ Francesca wollte sie nicht weiter bedrängen. „Wir reden von etwas anderem, einverstanden?“
Callie nickte stumm, doch dann sprudelte es aus ihr heraus: „Oh, Francesca! Ich liebe ihn!“
Diese Erkenntnis hatte sie gestern Nacht gewonnen, als sie Brom tief in die Augen geblickt und gewusst hatte, dass er ihr die Wahrheit sagte. Mit ihrem Vertrauen, ihrem Glauben an ihn, hatte sie ihm auch ihr Herz
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