MASKENBALL UM MITTERNACHT
hinterlassen hat. Und es ist mir ein großes Anliegen, dass wir verbunden bleiben … beinahe wie Schwestern. Bitte.“
Francesca zögerte immer noch. „Bist du sicher?“
„Ja, völlig sicher. Es ist mir sehr wichtig.“
„Gut, wenn das dein Wunsch ist.“ Francesca schloss die Finger um die Kamee. Dann nahm sie Callie noch einmal in die Arme. „Bitte Callie, vergrabe dich nicht in Marcastle. Du musst mir versprechen, bald wiederzukommen – vielleicht zur kleinen Herbstsaison?“
„Vielleicht. Und du musst mich besuchen. Ich werde Rochford dazu überreden, den Sommer in Dancy Park zu verbringen.“
„Ja. Wenn ich in Redfields bin, besuche ich dich natürlich.“
Francesca spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, als Callie einstieg und die sportliche schwarze Kutsche sich in Bewegung setzte. Callie lehnte sich aus dem Fenster und winkte zum Abschied.
Francesca winkte ebenfalls, bis das Zweiergespann in die Hauptstraße einbog und ihren Blicken entschwand.
Seufzend ging sie ins Haus und begab sich in ihr Schlafzimmer, wo ihre Zofe Maisie auf einem Hocker vor dem Kamin saß und einen Spitzenbesatz am Rocksaum eines Kleides annähte.
„Tja, Maisie, nun ist Lady Calandra leider wieder fort“, sagte Francesca traurig und setzte sich an ihren Frisiertisch. „Sie wird mir fehlen.“
„Ja, Mylady, mir auch. Sie ist eine ausnehmend liebenswürdige Dame.“
So gerne Maisie Lady Calandra hatte, im Stillen gestand sie sich, dass sie den leckeren Mahlzeiten noch mehr nachtrauern würde, die während ihres Besuches dank der großzügigen finanziellen Zuwendungen des Dukes aufgetischt worden waren. Lady Francesca hätte entrüstete Einwände erhoben, hätte sie geahnt, welche Summe der Buchhalter des Dukes für Lady Calandras Unterhalt hinterlegt hatte. Vermutlich hätte sie den vollen Betrag empört an Seine Gnaden zurückgeschickt. Glücklicherweise war Fenton ein listiger und umsichtiger Butler. Der Buchhalter des Dukes hatte direkt mit Fenton verhandelt, der Lady Francesca gegenüber eisernes Stillschweigen bewahrte.
Maisie lächelte still in sich hinein bei dem Gedanken, dass Fenton in weiser Voraussicht eine hübsche Summe für spätere Zeiten beiseitegelegt hatte, und die Vorratskammer auch in den nächsten zwei Monaten noch gut gefüllt sein würde.
Francesca hob den Deckel ihrer Schmuckschatulle auf dem Frisiertisch, zog eine Schublade heraus und drückte auf eine kleine Holzrosette, worauf ein Geheimfach aufsprang. Sorgsam legte sie die Kamee an der Goldkette neben ein glitzerndes, mit Diamanten besetztes Saphirarmband und dazu passenden Ohrgehängen.
„Ich muss endlich aufhören, Geschenke anzunehmen, von denen ich mich nicht trennen kann, Maisie, sonst werden wir demnächst am Hungertuch nagen“, sagte Francesca mit leisem Bedauern und verschloss die Schatulle wieder.
Sie warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. „Jedenfalls sehe ich mich gezwungen, noch in dieser Saison eine junge Dame zu finden, an der mir nichts liegt, und sie profitabel zu verheiraten.“
„Sehr wohl, Mylady“, stimmte Maisie ihr zu und biss den Faden ab.
Die Fahrt nach Lilles House dauerte nicht lang; ohne Gepäck wäre Callie auch gerne zu Fuß gegangen. Vor dem Haus wartete bereits die Postkutsche, Dienstboten eilten geschäftig hin und her, um sie unter der Aufsicht des Butlers zu beladen. Der treue Diener ließ es sich dennoch nicht nehmen, Callie aus dem Wegen zu helfen und überschwänglich zu begrüßen, gerade so, als sei sie von einer Weltreise heimgekehrt.
Vermutlich waren der Dienerschaft bereits die über ihre Herrin in Umlauf gebrachten Gerüchte zu Ohren gekommen, da Skandalgeschichten sich wie Lauffeuer unter dem Gesinde der vornehmen Häuser zu verbreiten pflegten.
„Callie.“ Rochford eilte ihr entgegen. Sie bemerkte den roten Fleck an seiner linken Wange und einen geschwollenen Bluterguss unter dem rechten Auge.
„Guten Morgen, Sinclair“, begrüßte sie ihn, als er ihren Arm nahm und einen prüfenden Blick auf die Gepäckstücke der kleinen Kutsche warf.
„Sobald deine Koffer umgeladen sind, brechen wir auf“, erklärte er. „Die Köchin hat uns einen riesigen Picknickkorb zurechtgemacht, da sie der Meinung ist, das Wirtshausessen bekomme uns beiden nicht.“
Im Haus begab Callie sich in den Küchentrakt, um sich von Köchin und Haushälterin zu verabschieden, die gekränkt wären, wenn sie sich nicht die Zeit dazu genommen hätte. Als sie wieder ins Freie trat, waren
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