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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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einem der Fotos war eine fröhliche Fahrradpartie zu sehen. Die Aufnahme war vermutlich Anfang der 50er Jahre gemacht worden, dachte Frank. Die geblümten Röcke der Frauen waren weit geschnitten. Die weißen Blusen waren kurzärmelig, die dunklen Sonnenbrillen dagegen groß. Die Frauen trugen doch tatsächlich weiße Spitzenhandschuhe. Die Männer hatten die Jacketts abgelegt und die Ärmel der weißen Hemden aufgekrempelt. Die hellen weiten Hosenbeine hatten sie mit in der Sonne blinkenden Fahrradklammern gegen den öligen Schmutz der Ketten gesichert. Die Gruppe hatte sich vor einem Fluss aufgebaut, lässig auf ihre Räder gelehnt. Frank konnte nicht erkennen, wo das Foto gemacht worden war. Es musste ein schöner Ausflug für die porträtierte Gruppe gewesen sein, denn die Gesichter sahen zufrieden aus.
    Auf den anderen Fotos waren junge Soldaten zu sehen. Auf einem Bild hatte sich ein junger Rekrut neben einen feldgrauen Wagen postiert, an dessen Lenkrad ebenfalls ein Soldat zu erkennen war. Sein Gesicht war durch die blendende Windschutzscheibe kaum auszumachen. Der Soldat neben dem Auto lachte und hatte das offene Fenster des Militärautos dazu benutzt, um sich mit seiner rechten Hand abzustützen. Frank drehte das Foto um, aber er war weder ein Datum noch ein Ort vermerkt. Vielleicht lag die Allee an der Zufahrt zur Kaserne des Soldaten, mutmaßte Frank, oder das Bild war sonst wo entstanden.
    Von Krieg und Vernichtung war auf dem Schwarz-Weiß-Bild nichts zu erkennen. Wenn es nicht feldgraue Gestalten und ein feldgraues Auto zeigen würde, könnte man über den Augenblick, in dem von dem Unbekannten der Auslöser des Fotoapparates betätigt worden war, von einer friedlichen Stimmung der abgelichteten Szene sprechen.
    Frank betrachtete die letzte Fotografie, die er noch in der Hand hielt. Sieben junge Wehrmachtssoldaten hatten sich vor einem Wirtshaus in bierseliger Stimmung in einer Reihe postiert und sich dabei die Hände auf die Schultern gelegt, so als wollten sie Sirtaki tanzen. Andererseits hatte es eher den Anschein, als müsste der eine oder andere Rekrut schon gestützt werden. Dem Schild mit der Bierreklame nach zu urteilen war das Foto am Niederrhein, möglicherweise sogar in Breyell entstanden. Sieben junge Menschen in Uniform, mitten im Krieg vielleicht, auf einem ihrer viel zu kurzen Heimaturlaube und am Vorabend ihres nächsten Einsatzes. Ein Aufbruch in eine ungewisse, für einige tödliche Zukunft.
    Frank nahm einen letzten Schluck Rotwein. Er betrachtete die Gesichter der jungen Männer, die eigentlich noch wie Kinder aussahen, dachte man sich ihre grauen Schiffchen mit den Hoheitszeichen weg, die sie keck schräg auf ihre Köpfe gestülpt hatten. Sie lachten scheinbar unbekümmert und bierselig dem Fotografen entgegen, aber es war kein befreites und lebensbejahendes Lachen wie nach einem schlüpfrigen Witz oder nach einem gelungenen Ausflug, nach einer verdienten Belohnung für Wohlverhalten im Dienst, oder für das versteckte Lächeln eines schüchternen jungen Mädchens, das zum Zeitpunkt der Aufnahme an dem Trupp Soldaten vorbei musste. Es war eher das verkrampfte Lachen angesichts ihrer Erlebnisse in den Schützengräben. Auf ihren Schultern lastete etwas Bleiernes, dass Frank ahnen, aber nicht benennen konnte.
    Frank fragte sich, was wohl den Menschen auf dem Schnappschuss in den Tagen, Wochen und Monaten nach der ausgelassenen Feier in dem niedrigen niederrheinischen Wirtshaus widerfahren sein musste.
    »Was ist, Frank? Du siehst traurig aus. Ist dir nicht gut?« Lisa hatte sich zu ihm gesetzt und ihre Hand auf seinen Arm gelegt.
    Frank schluckte und legte das Foto zu den anderen. »Nein, ist schon alles in Ordnung. Ich habe nur etwas viel Wein getrunken und zu wenig gegessen. Der Alkohol ist mir in den Kopf gestiegen. Ich gehe jetzt besser ins Bett.« Frank nahm Lisas Hand und streichelte sie. »Versprich mir, Lisa, lass mich nie alleine.«
    »Was redest du da für wirres Zeug, Frank. Natürlich lasse ich dich nicht alleine. Schließlich bist du der Vater meines Kindes.« Sie lächelte ihm aufmunternd zu. »Und außerdem bist du der schärfste Bulle, den ich kenne. Ich lass dich nicht mehr los. Das kannst du mir glauben. Ich liebe dich nämlich, Frank Borsch.«

    Mitten in der Nacht schreckte Frank aus seinen Träumen auf. Sein T-Shirt war durchgeschwitzt und sein Herz stach. Frank setzte sich auf und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wusste nicht mehr genau, was er

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