Maskenspiel
Betreten des Hauses direkt ausgezogen – tapse ich die Treppen hinunter auf der Suche nach meinem Gastgeber. Im Erdgeschoss höre ich Geräusche und folge ihnen bis in die Küche. Als Christopher mich hört, dreht er sich um und hält mir einen Becher entgegen. »Hier.«
»Was ist das?«
»Heißer Tee mit Milch, Zucker und einem Schuss Rum.«
Ich nehme den Becher und trinke einen Schluck. »Das ist aber ein großer Schuss Rum.«
Sein Blick fällt auf meine Handgelenke. »Ich hole dir gleich eine Salbe. Wenn man still hält, hinterlassen die Schlaufen normalerweise keine Striemen.«
»Ist schon okay.« Wieso ist es mir so wichtig, Christopher zu beruhigen? Ihm zu zeigen, dass ich mit allem, was er von mir zu erwarten scheint, umgehen kann?
»Hast du Hunger? Ich habe nicht viel im Haus, aber ich könnte ein Kräuteromelett machen.«
Ich habe tatsächlich Hunger. Vor Aufregung habe ich heute kaum etwas gegessen. Außerdem würde ich schamlos jede Gelegenheit ausnutzen, länger in seiner Nähe bleiben zu können. »Bärenhunger.«
Ich setze mich auf den Küchentresen, nippe ab und zu an meinem Tee und schaue ihm beim Kochen zu. Wie er zwischen Kühlschrank, Herd und Arbeitsplatte hin und her geht, wie er die Lebensmittel berührt, wie er die Kräuter schneidet. Mit den Händen, mit denen er kurz vorher noch mich berührt hat. Die Situation hätte so schön harmonisch sein können, aber irgendwie kann ich mal wieder mein loses Mundwerk nicht halten. Es gibt da nämlich etwas, was schon seit Freitag an mir nagt …
»Wer ist Suzie?«
Einen Moment hält Christopher beim Schlagen der Eimasse inne und sieht mich fast erschrocken an. »Hast du etwa mein Passwort geknackt?«
Eins muss man ihm lassen, er denkt unglaublich schnell und fast genau so wie ich.
»Na ja, es klang im Taxi so, als wäre es als Herausforderung gedacht … Du solltest deinen Sicherheitsstandard für Passwörter überdenken. Es hat keine halbe Stunde gedauert.« Obwohl zwischen den einzelnen Buchstaben noch diverse Ziffern und Sonderzeichen waren.
»Das glaub ich einfach nicht.« Er lässt den Schneebesen in die Schüssel fallen und schüttelt den Kopf.
»Ist Suzie die Frau, die dich verfolgt?«
»Nein, Suzie war mein erster Hund, ein Cockerspaniel. Sie starb mit dreizehn Jahren an Altersschwäche, da war ich gerade vierzehn.« Er schüttelt wieder den Kopf. »Keine halbe Stunde? Wie hast du das gemacht, du kleine Hexe?«
»Ich selbst habe eigentlich gar nichts gemacht. Das waren nur ein paar Programme.«
»Hast du dir irgendwas angesehen oder irgendwelche Änderungen vorgenommen?«
Die Frage habe ich erwartet. »Natürlich nicht. Ich hacke mich ja nicht ein, um Umheil zu stiften, sondern um Sicherheitslücken aufzuzeigen.«
»Hast du Charlie davon erzählt?«
»Nein!«
»Gut. Lass in Zukunft deine Finger von meinem Computer, Emily. Das meine ich ernst. Bevor wir essen, werde ich mein Passwort ändern.« Christopher hält einen Moment inne und sieht mich an. »Wo hast du das eigentlich gelernt, in fremde Netzwerke einzudringen?«
»Na ja, ich habe IT studiert, und eines Tages fragte unser Prof, ob wir Interesse hätten, an einem Projekt im Bereich Netzwerkanalyse mitzumachen. Sie suchten Leute, die hervorragend programmieren konnten und Lust auf eine Herausforderung hatten.« Ich grinse. »Da wussten wir natürlich noch nicht, was dahintersteckt und was für ein Bewerbungsmarathon auf uns zukommt. Die meisten haben nach ein paar Wochen aufgegeben.«
»Aber du nicht«, stellt Christopher fest.
»Nein, ich nicht. Ich war die einzige Frau, die ins Programm aufgenommen wurde. Ein Jahr lang wurden wir neben der Uni geschult. War eine spannende Zeit.«
»Und mit welchem Ziel, oder darfst du nicht darüber reden?«
»Es steht in meinem Lebenslauf, aber ich gehe damit nicht hausieren. Vor Ausbildungsbeginn mussten wir unterschreiben, dass wir unser Wissen nur zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen. Ich wurde seitdem über unser Netzwerk ab und zu als freie Mitarbeiterin angefragt, meist für Wirtschaftsunternehmen.«
»Und was bist du jetzt genau, Master-Hackerin?«
Ich lache. »Offiziell bin ich Certified Ethical Hacker, aber da das Thema unsere Kunden selten interessiert, bin ich, wie Charlie schon sagte, billig zu haben.«
»Dich bei Secur-Code verheizen zu lassen, ist wie Perlen vor die Säue zu werfen«, stellt Christopher knapp fest.
»Ich wollte erst mal Berufserfahrung sammeln. So schlecht ist der Job gar nicht.« Immerhin
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