Maskenspiel
Brille ab und legte sie auf einen Papierstapel neben Toms Rechner.
»Wer …?«, fragte Tom.
»Henry Wewerka, der Student, mit dem ich gestern noch gesprochen habe. Ich bin schuld, verflucht.«
»So ein Quatsch!«
Tom brauchte die nächsten zwanzig Minuten, während sie Kaffee kochten und einen verspäteten Frühstückstisch herrichteten, um Katinka den Floh wieder auszutreiben, den die Kommissarin ihr ins Ohr gesetzt hatte.
»Du musst das so sehen«, sagte Tom und schmierte sich Marmelade auf sein Brötchen. »Irgendwas liegt an diesem Lehrstuhl ganz furchtbar im Argen. Da fehlte nur noch ein letzter Anstoß, damit jemand durchdrehte. Du warst dieser letzte Anstoß, aber bestimmt nicht die Ursache!«
»Ich hoffe es«, seufzte Katinka. Umgeben von Kaffeearoma und Marmeladenbrötchen fühlte sie sich schon besser. Langsam ließ das Pochen über ihren Augenbrauen nach. »Ist ein abscheuliches Gefühl, gestern noch mit jemandem gesprochen zu haben, der heute blutverkrustet unter der Polizeifolie liegt.«
Sie wartete einen Moment ab, dann fragte sie: »Du meinst, der Mörder ist jemand vom Lehrstuhl?«
»Wer sonst?«, fragte Tom. »Bricht jemand in ein Uni-Gebäude ein und ermordet die dort arbeitenden Angestellten? Wohl kaum, oder? Jedenfalls nicht zwischen sieben und neun am Abend. Da ist es momentan noch hell.«
Katinka lächelte milde. Helligkeit hinderte niemanden daran, zu morden, sofern die übrigen Umstände für das Vorhaben günstig waren. Aber dann fiel ihr wieder ein, was sie die ganze Zeit schon irritiert hatte:
»Henry war joggen. Er hatte Sportklamotten an und nichts bei sich, keine Aktentasche, wie er sie mittags noch mitschleppte. Der ist nicht zum Arbeiten gekommen, sondern er kam zufällig vorbei, auf seiner abendlichen Trainingstour. Womöglich fiel ihm ein, dass er irgendwas schnell erledigen konnte, oder vielleicht musste er aufs Klo oder hatte Durst. Eigenartig nur, dass man keinen Büroschlüssel bei ihm gefunden hat.«
»Der Mörder könnte seine Sachen weggetragen haben.«
»Dennoch, mit Joggingklamotten! Würdest du verschwitzt und schnaufend mal schnell eine Stunde arbeiten?«
Tom schüttelte den Kopf und goss sich noch ein Glas Orangensaft ein: »Was ist mit der Tatwaffe?«
»Ist auch nicht zu finden. Die Sekretärin schwört, ihr Parthenon-Tempel-Briefbeschwerer sei nicht mehr da.«
»Was willst du jetzt machen?«
»Weiterforschen«, grinste Katinka schief. »Ich mache mir eine Liste mit den Persönlichkeitsprofilen der Leute. Die Polizeitante hat mir zwar die Hölle heiß gemacht, ich sollte mich bloß nicht einmischen, aber ich muss ja noch den Datenfresser finden und den Diskettendieb.«
Tom sah zweifelnd drein. »Beides hängt womöglich zusammen. Du wirst der Polizei früher oder später in die Quere kommen. Außerdem finde ich das g anze nicht gerade ungefährlich.«
Katinka legte ihr Messer hin, mit dem sie eben ein Brötchen hatte aufschneiden wollen. »Hör mal«, fing sie an. »Das ist mein Job. Gefahr gehört dazu.«
»Ja«, erwiderte Tom, und es schien ihm peinlich zu sein. »Aber wenn du zwischen die Fronten gerätst … Vielleicht bringt der Psychopath auch noch die Privatdetektivin um die Ecke?«
»Du setzt voraus, dass der Urheber der Misslichkeiten bei Laubach und der Mörder identisch sind. Aber das muss ja nicht sein.«
»Wie ist es dann?«
»Will ich ja rauskriegen, gedulde dich.«
Tom schüttelte den Kopf. »Vielleicht solltest du den Fall lieber abgeben.«
»Wie meinen?« Katinka sah ihren Freund ehrlich entsetzt an. »Endlich habe ich einen Fall, und dann willst du, dass ich ihn schmeiße, bloß weil ich über die erste Leiche gestolpert bin?«
»Ich will nicht unbedingt, dass du ihn schmeißt«, erklärte Tom. »Aber ich kann mir b esseres vorstellen, als dass übermorgen die Bullen bei mir anrufen und mir deinen Rucksack und deine Klamotten vorbeibringen, weil du keine Verwendung mehr dafür hast.«
»Pah!«, rief Katinka und pfefferte ihr Brötchen zurück auf den Teller. »Tom, ich habe meinen Job, du deinen. Du kannst von mir aus deine Netzhaut bis ans Ende deiner Tage an den Bildschirm kleben, und ich kann Psychopathen hinterherspüren. Leben ist tödlich.«
Tom hob die Arme und streckte die Handflächen nach vorn. Ihm war anzusehen, dass er keinen Streit wollte, und schon tat es Katinka Leid, gestänkert zu haben.
»Halte mich wenigstens öfter mal auf dem Laufenden. Ruf zwischendurch an. Wozu gibt ’s Handys.«
Nachdem Tom sich
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