Maskenspiel
halbwegs beruhigt wieder an seinen Schreibtisch zurückgezogen hatte, schrieb Katinka stichpunkt-artig nieder, was sie über die Persönlichkeiten der Laubach-Mitarbeiter erfahren hatte. Dabei kam ihr plötzlich der Gedanke, ob nicht auch Laubach selbst verdächtig war, und sie schrieb ihn mit dazu. Dann suchte sie sich die Förstschen Listen heraus, wo auch die Privatnummer des Professors notiert war. Dabei fiel ihr Blick auf eine weitere Tabelle: Lehrzeiten, stand darüber. Interessiert stellte Katinka fest, dass Laubach alle seine Lehrveranstaltungen auf Donnerstag und Freitag gelegt hatte, und zwar jeweils auf 14 bis 16 und 18 bis 20 Uhr. Welcher Student ging eigentlich freitags um sechs noch in die Uni? Sie sah auf die Uhr. Während Laubach lehrte, bestand sicher eine gute Möglichkeit für Katinka, sich mit seiner Frau auszutauschen. »Die wohnen in Breitengüßbach«, brummte Katinka mit dem Finger auf der Liste. Laubach und seine Leute waren anscheinend allesamt Frischluftfanatiker und Stadtflüchtlinge.
Sie lenkte Toms alten Ford Fiesta durch Schnüre von grauem Regen nach Breitengüßbach. Lisbeth Frinke-Laubach hatte ihr den Weg exakt beschrieben, und so bog sie an der Kreuzung ab und fuhr gleich nach der Eisenbahnbrücke wieder links. Im Gewirr all der Wohnstraßen stand unter einem tropfenden Regenschirm eine ziemlich bunte Person in Gummistiefeln und winkte ekstatisch dem Auto zu.
Katinka lehnte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür: »Frau Laubach?«
»Ich dachte, ich hole Sie ab, sonst finden Sie unsere Bude vielleicht nicht!«, sagte Lisbeth. Sie klappte den Schirm zusammen, strich das lange, sacht rotgetönte Haar zurück und ließ sich auf den Sitz plumpsen. Sofort beschlugen sämtliche Fenster. Katinka kurbelte ihres herunter und versuchte, sich zu orientieren. Querstraßen und Sackgassen zweigten von der großen Wohnstraße ab.
»So verwirrend habe ich mir das hier gar nicht vorgestellt.«
»Ja, ja«, sagte Lisbeth klagend. »Wohngebiete werden verkehrsmäßig immer ein wenig seltsam erschlossen.«
Dicke Fliederbüsche ließen ihre von Blütenpracht und Wasser schweren Zweige über die Gartenzäune hängen. Die Kühle und der heftige Regen nahmen ihren berauschenden Geruch jedoch mit sich fort. Lisbeth Frinke-Laubach dirigierte Katinka durch einige Straßen und klopfte dann mit der Hand ans Fenster: Stopp, hier sind wir schon, halten Sie so nah wie möglich an der Gartenmauer.«
Katinka bremste und stellte den Motor ab.
»Dann wollen wir mal!« Die Professorengattin stieß die Tür auf, entfaltete zeitgleich den Schirm und tauchte in den Regen. Seufzend hastete Katinka hinterher.
»Schönes Haus«, sagte sie, als sie hinter Lisbeth Frinke-Laubach eintrat. Soweit sie sehen konnte, dämpften überall dicke Teppiche in fröhlichen Farben die Schritte. An den Wänden ragten Büchertürme auf, und da, wo ein wenig freier Platz geblieben war, prangten sonnenhelle Gemälde.
»Wir hatten einen italienischen Architekten«, antwortete Lisbeth fröhlich und schlüpfte aus ihrer Regenjacke. Darunter trug sie ein Leinenkleid in klassischem, nicht gerade figurnah zu nennendem Schnitt. Die Gummistiefel flogen in eine Ecke. Sie lief barfuß über die Teppiche und führte Katinka ins Wohnzimmer. Im Kamin brannte ein Feuer.
»Hm, herrlich«, sagte Katinka.
»Ja, bei diesem Wetter, nicht? Aber worüber wollten Sie mit mir sprechen? Über diesen bedauernswerten jungen Mann?«
»Auch. Kannten Sie ihn?«
»Ich erinnere mich an ihn, denn bei der letzten Weihnachtsfeier am Lehrstuhl war ich auch dabei – wie jedes Jahr.«
»Ist Ihnen an ihm irgendwas Besonderes aufgefallen?«
»Aber nein, nicht, dass ich wüsste.«
»Erzählen Sie mir doch etwas über die anderen Mitarbeiter Ihres Mannes«, bat Katinka. »Es ist nicht einfach, sich ein Bild zu machen, wenn man von außen kommt.«
Der Appell an Lisbeths Hilfsbereitschaft funktionierte. Sie sprang wieder vom Sofa auf, klappte eine Tür der Schrankwand auf, hinter der sich ein Kühlschrank verbarg, und holte eine Flasche Cidre heraus.
»Mögen Sie?«, fragte sie und hielt die Flasche hoch. »Also, ich kenne die hauptamtlichen Mitarbeiter sehr gut. Wir sind sehr befreundet mit dem Ehepaar Herzberg, Helena und Hermann. Ich spiele auch manchmal Babysitter für die beiden.«
Soso, dachte Katinka erstaunt. Laut fragte sie: »Helena ist sehr erfolgreich, oder?«
»Das schon, aber zufrieden ist sie eigentlich noch nicht. Ich finde, dass eine
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