Maskenspiel
Frau ihres Alters allmählich eine Professorenstelle bekommen sollte. Sie bewirbt sich auf jede freie Professur, aber so einfach ist das nicht.«
»Einmal kamen ihr die Bewerbungsunterlagen abhanden?«
»Ja, eine schlimme Geschichte. Ich persönlich habe ja Fria im Verdacht. Die beiden sind wie Hund und Katze. Eine typische Frauenfeindschaft.«
Lisbeth lachte, als handele es sich um etwas Erfreuliches, und stellte zwei Gläser mit Cidre auf den Tisch.
»Sehen Sie, Helena kommt aus einer Akademikerfamilie. Der Vater Philosophieprofessor, die Mutter Mikrobiologin, hat lange am Max-Planck-Institut gearbeitet. Tja, und Fria kommt aus dem Proletariat. Ihr Vater war bei der Bahn.«
Katinka spürte, wie der Wunsch, zu widersprechen, irgendwas Zynisches zu sagen, das in ihrem Magen manövrierte, aber sie drängte das Brodeln in ihrem Innern zurück, um Lisbeths Redeschwall nicht zu unterbrechen.
»Mein Mann ist die blindeste Blindschleiche, die an seinem Lehrstuhl herumläuft, was Zwischenmenschliches betrifft«, verkündete Lisbeth, und stellte damit ihre eigene Befähigung auf diesem Gebiet heraus. »Wenn er nicht mit dem Kopf gegen irgendwas stößt, bemerkt er nichts.«
»Abgesehen von Ihrem Verdacht gegen sie – was halten Sie von Fria Burgwart?«
»Ich mag sie nicht. Sie merken, ich spreche ganz offen. Frau Burgwart arbeitete schon einige Monate am Lehrstuhl, bevor mein Mann sie fest anstellte, und zwar mit einem Werkvertrag. Ich habe Milo abgeraten, Fria zu nehmen. Ich mochte sie von Anfang an nicht, sie war und ist mir irgendwie suspekt.«
»Gibt es dafür einen besonderen Grund?«, fragte Katinka höflich. Alle hackten auf Fria herum. Sie tat Katinka beinahe Leid.
»Also, kommen Sie! Sie läuft herum wie ein Haufen Altkleider! Hat keine Freunde, keinen Mann, keinen Liebhaber, und lesbisch ist sie auch nicht. Finden Sie das normal?«
Lisbeth Frinke-Laubach schien tatsächlich auf eine Antwort zu warten, denn sie fixierte Katinka über ihr Cidreglas hinweg eindringlich.
»Sie hat tatsächlich keine Freunde?«
»Keinen e inzigen. Kein Wunder, wenn sie tatsächlich nur arbeitet, nie ausgeht, nie Urlaub macht, wie mir Helena immer sagt.«
»Hat sie überhaupt keine Familie?« Katinkas Mitleid vertiefte sich noch um eine Spur.
»Doch sicher, ihre Eltern sind noch am Leben, und soweit ich weiß hat sie einen Bruder. Sie fährt ab und zu an den Wochenenden zu den Eltern. Sie wohnen irgendwo bei Schweinfurt.«
»Erzählen Sie mir etwas über Ludovic Montfort.«
»Ludovic!« Auch Lisbeth legte diesen eigentümlichen Singsang an den Tag, als sie seinen Namen aussprach, beinahe wie Helena. »Ja, er ist ein Sonderling. Die Weihnachtsfeier nahm er zum Anlass, sich mit Punsch zu betrinken, und er kommt kaum zu den anderen Treffen, die wir regelmäßig abhalten.«
»Nehmen Sie immer daran teil, Frau Frinke-Laubach?«
»Laubach genügt.« Sie kicherte. »Als ich heiratete, hatte ich seltsame Kleinmädchenansichten. Nein, ich stoße ab und an dazu. Sagen wir, ich komme zu jedem dritten Treffen. Und die Weihnachtsfeiern lasse ich mir auch nicht entgehen. Sie sind ja so romantisch. Wissen Sie, wenn man keinen eigenen Job hat, nicht einmal einen Beruf, so wie ich, dann benötigt man eine Verankerung im Berufsleben des Ehemannes. Ich jedenfalls halte es so, und es hat bisher keinem geschadet.« Sie strich über ihr Kleid.
»Halten s ie Ludovic für fähig, Daten zu manipulieren?«
»Das kann ich nicht sagen. Aber ihm wird alles Mögliche einfallen. Vielleicht macht er es aus Jux und Tollerei? Ich sage meinem Mann immer, Milo, sage ich, du musst strengere Maßstäbe an deine Leute anlegen. Aber er hat kein Interesse daran, denn seine Wissenschaft interessiert ihn viel mehr. Milo ist vergesslich, das können Sie sich kaum vorstellen! Wenn ich ihm nicht mit allem hinterherlaufe … aber die Wissenschaft, die hat er im Griff. Er merkt sich jede Zeile, die er liest, und jede, die er schreibt.«
Das Telefon klingelte. Lisbeth Frinke-Laubach winkte ab.
»Ich habe den Anrufbeantworter angeschaltet, wir können uns ruhig weiterunterhalten. Das habe ich mir längst abgewöhnt, ständig für alle erreichbar zu sein. Man muss Prioritäten setzen.«
Katinka nickte und fahndete nach der nächsten sinnvollen Frage. Eine ruhige, angenehme Männerstimme sprach auf das Band.
»Können Sie mir auch was über Elfi Lodenscheidt verraten?«
»Elfi? Ach, ein nettes Mädchen. Bisschen naiv. Vielleicht sollte man sie mal zur
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