Maskenspiel
Typberatung schicken, damit sie nicht immer herumläuft wie eine russische Putzfrau.«
Katinka staunte Bauklötze. In Sachen politischer Korrektheit schien Frau Frinke-Laubach ebenfalls ihre eigenen Ansichten zu haben.
»Na ja. Sie wird keine große Wissenschaftlerin, aber ihr Traum wäre es, bei einem Verlag unterzukommen. Ach, das war Hermann«, sagte Lisbeth mit einem Blick auf den Anrufbeantworter. »Gerade haben wir über ihn und Helena gesprochen, nicht?« Sie leerte ihr Glas und schenkte sich nach. »Ja, jedenfalls. Elfi ist auch Single. Carsten übrigens auch. Glauben Sie, dass er schwul ist?« Ihre Augen blitzten ironisch.
Katinka war sich hundertprozentig sicher, dass Carsten Stielke nichts von einem Schwulen hatte. Lisbeth wartete jedoch nicht auf Katinkas Reaktion, sondern sagte fröhlich: »Das junge, aufstrebende Talent hat keine Zeit für die Liebe. Bloß für die Wissenschaft.«
Katinka notierte sich noch Lisbeths ziemlich unersprießliche Meinungen zu den anderen Lehrstuhlmitarbeitern, aber nichts davon kam ihr sehr aufschlussreich vor. Entmutigt bedankte sie sich für die Auskünfte und den Cidre und verließ das Haus.
Als sie in Toms Wagen durch Hallstadt rollte, fragte sie sich, ob sie jemals ein Haus wie die Laubachs bewohnen würde, und welche Bemerkung ihr Architektenvater jetzt machen würde, könnte er ihre Gedanken lesen.
10. Drohungen
Katinka plante, bei Tom zu übernachten, aber sie brauchte einige Kleinigkeiten aus ihrer Wohnung. Nachdem sie den Ford Fiesta wieder in der Herzog-Max-Straße abgestellt hatte, radelte sie in die Gabelsberger Straße hinüber. Die turmhohen Kastanienbäume am Wilhelmsplatz öffneten die ersten Blüten. Das dichte Laub tauchte den Platz vor dem Oberlandesgericht beinahe ins Dunkel. Als Katinka über die Brücke fuhr, dachte sie zum hundertsten Mal darüber nach, weshalb sie eigentlich nicht zu Tom zog. Sie könnten sich dann die Miete teilen, Toms Wohnung war außerdem größer, und neben der finanziellen Ersparnis wäre auch ein wenig mehr Ruhe in ihrem Leben von Vorteil. Es schien Katinka ein sinnloser Aufwand, ständig zwischen Gabelsberger Straße, Herzog-Max-Straße und Hasengasse hin und her zu radeln. Sie bog ab und fuhr ein kurzes Stück unter den Kastanienbäumen am Kanal entlang, bis sie nach rechts in die Gabelsberger Straße kurvte. Nur der restfeministische Urgrund, auf dem sie sich eingerichtet hatte, hielt sie noch davon ab, ihre so genannte Freiheit aufzugeben. »Wer ist schon frei«, murmelte Katinka vor sich hin, »und was ist eigentlich so toll an der Unabhängigkeit?« Sie fragte sich ernsthaft, ob es irgendjemanden auf dieser Welt geben konnte, der tatsächlich unabhängig war, und kam zu dem Schluss, dass kein Mensch als komplette Neutralität durch die Welt spazierte. Wozu auch, dachte sie, während sie vom Rad stieg und es durch die parkenden Autos hindurchschob.
Sie schloss die Eingangstür auf und lief schon die Treppen hinauf, als hinter ihr Beinerts Wohnungstür aufging.
»Frau Balfy«, kam er ins Treppenhaus gewuselt. »Frau Balfy, wardns amol!«
Katinka war zwar zu einem gewissen Grad von Toms Abneigung gegen eine zu starke Ausprägung des fränkischen Dialekts beeinflusst, aber ihr stießen weniger die viel zu häufigen Bs und Ds auf als vielmehr die direkt und unbeschwert ausposaunten Kommandos und Befehle.
»Herr Beinert, ich habe gerade keine Zeit!«, rief Katinka über die Schulter. Sie hatte keine Lust, seine braune Strickjacke über den Hosenträgern, die graue Flanellhose und die blauen Socken in den beigen Sandalen anzustarren.
»Nur an Momend!«, flehte Beinert geradezu. »Singers sind überzeugt, dass bei Ihna ana eingebrochn hod.«
Wie immer, wenn Hugo Beinert mit Katinka sprach, wechselte er zwischen seinem Mutterdialekt und einer Version des Deutschen, die er selbst für Hochdeutsch hielt, hin und her.
»Bei mir oder bei Singers?«, fragte Katinka zerstreut nach und klimperte mit ihrem Schlüsselbund.
»Bei Ihna, Frau Balfy«, rief Beinert aufgeregt und stippte mit seinem Zeigefinger zur Verdeutlichung nach Katinka. »A Fraa wor do, die wolld zu Ihna, Frau Balfy, aba Sie worn ned do, do hot sa on Ihra Tür manibuliert.«
»Manipuliert?«, fragte Katinka, deren Herz ein bisschen schneller ging. Dennoch durfte sie sich nicht allzu sehr beunruhigen, denn Beinert hatte auch schon den zehnjährigen Enkel der Singers als Panzerknacker entlarvt.
»Wilhelm Singer socht, die Fraa wolld nei Ihra Wohnung,
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