Maskerade
Kreis.“ In ihrer Stimme schwang ein herablassender Ton, und Liz spürte, daß Melanie sich diese Gesellschaft auszumalen versuchte, in der Liz bisher verkehrt hatte. „Du hast keinen festen Freund, oder doch?“ fragte sie schließlich.
Liz zuckte zusammen. „Nein.“
„Das freut mich. Ich kenne nämlich viele Studenten hier. Wir könnten uns zu viert verabreden. Es macht solchen Spaß, und ich kann dich mit charmanten jungen Männern bekannt machen.“
Liz lächelte höflich, sagte aber nichts.
„Wie wär’s mit morgen abend?“ fragte Melanie. „Ich treffe mich mit Nicky Beecham. Er ist Mediziner, und ich bin sicher, daß er liebend gerne auch für dich einen Jungen auftreibt.“
Noch immer lächelnd, entgegnete Liz: „Nein, danke dir. Morgen nicht, vielleicht später einmal.“
„Na, gut!“ Melanie schaute kritisch im Zimmer umher. „Hast du dir Gardinen mitgebracht?“
„Nein, gar nichts.“
Melanie nickte. „Ich auch nicht. Sollen wir morgen zusammen einkaufen gehen? — Welche Farbe würde wohl am besten hier hereinpassen?“ Sie runzelte die Stirn. „Hm, ich glaube schwarz und weiß gestreifte Vorhänge machen sich am besten. Und dann so ein imitierter Fellteppich — weiß natürlich! — auf den Fußboden, ein paar knallrote Sofakissen und eine schwarze Kordbettdecke..
„Das hört sich gut an“, lachte Liz. „Welchen Kurs hast du bei Hawley belegt?“
„Modeentwurf.“
„Ich auch!“
„Du, ist das nicht herrlich?“ freute sich Melanie. „Wir haben also den gleichen Unterricht.“ Sie ließ ihre Armbänder klirren und betrachtete eines liebevoll. „Wie gefällt’s dir? Ist es nicht der letzte Schrei ? Brad Beevers hat es mir geschenkt, obwohl ich ihm verboten hatte, fünfzig Dollar für so ein Armband auszugeben. — Wann gehen wir morgen einkaufen?“
Liz stand auf. „Mir ist jede Zeit recht.“
„Schön.“ Auch Melanie erhob sich und begleitete sie zur Tür. „Sagen wir um zehn Uhr, paßt dir das? Mutter findet, daß ich schrecklich eigenwillig beim Einkaufen bin, aber ich will nun einmal alles ganz so, wie ich es mir vorstelle. Das ist mir wichtig. Ich bin so froh, daß du hereingekommen bist, Liz. Mir ist klar, daß wir eine Menge Spaß miteinander haben werden.“
„Mir auch“, murmelte Liz lächelnd.
Mit gemischten Gefühlen ging sie in ihr Zimmer zurück, ein wenig von Melanie beeindruckt, gleichzeitig aber belustigt darüber, wie sich das Mädchen bemühte, eben diesen Eindruck auf sie zu machen, und darüber, daß sie darauf hereinfiel. Nun, schließlich hatte sie nie zuvor jemanden gekannt, der ein Fünfzig-Dollar-Armband ganz nebenbei von Freunden geschenkt bekommt.
4. KAPITEL
Hinter der verriegelten Tür von Zimmer 3C packte Penny Saunders ihre Koffer aus und bemühte sich, so wenig wie möglich von all dem zu hören, was sich im Heim tat. Sie türmte ihre Kleider auf einen Haufen, Zeitschriften auf einen andern, und Bücher ergaben den dritten. Es machte ihr nichts aus, daß die Zeitschriften hoch über dem Kleiderberg thronten wie der schiefe Turm von Pisa. Es war nicht leicht, sechsundvierzig Nummern der Zeitschrift „National Geographie“ zu verstauen. Nach kurzem Bedenken schob sie sie unters Bett. Während sie aufräumte, hörte sie die spitzen Absätze der andern Mädchen über den Flur hämmern. Sicher hatten sie sich heim Abendessen angefreundet und besuchten sich nun gegenseitig. Penny war noch nie zuvor mit so vielen andern Mädchen zusammen gewesen, und der Anblick tat ihr weh. Alle sahen so hübsch aus, so weiblich und selbstsicher. Sie war ja auch ein junges Mädchen, aber sie fühlte sich nicht so richtig jung. Es gab keine Bücher, in denen man darüber nachlesen konnte, und Mutter hatte längst vergessen, wie es bei ihr gewesen war, denn sie war bereits vierzig Jahre alt, als Penny auf die Welt kam, und das war nun bereits achtzehn Jahre her. Ihr Vater sagte ihr immer wieder, daß sie intelligent sei. Nun, vielleicht nützte ihr ihre Intelligenz irgendwann einmal, aber im Augenblick erschien ihr diese Gabe recht gering. Viel schwerer wog für sie, daß sie schmächtig und blaß war und leicht rot wurde, daß sie sich schlecht hielt und die Figur eines zehnjährigen Kindes hatte.
Die erste von ihren neuen Mitschülerinnen, die ihr begegnete, war die Bewohnerin des Zimmers 3B gegenüber, und sie sah blendend aus. Sie hatte Penny kurz angeschaut, den Kopf geschüttelt und sich abgewandt. Penny haßte sich selbst, weil sie glaubte,
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