Maskerade der Liebe
ruiniert.
Das wollte er gewiss nicht. Er verspürte mit einem Mal den Wunsch, sie zu beschützen. Warum das so war, wusste er nicht. Vielleicht weil sie so unschuldig wirkte. Oder weil sie ihn völlig uneigennützig verteidigt hatte?
Der Kutscher klopfte gegen das Dach. Gleich darauf rief er mit einer Stimme, die kaum zu hören war: „Wir kommen zur Hauptstraße, Mylord. Wohin jetzt?“
„Halte hier einen Moment!“ Jordan sah sie fragend an. „Nun, Miss Fairchild, was sollen wir tun? Ich könnte Sie nach Hause bringen, dann wieder zurückfahren und so tun, als wäre ich allein weg gewesen. Aber Sie müssten später wohl die Unwahrheit erzählen, warum Sie ohne Begleitung den Ball verlassen haben.“
„Ich lüge nicht, Lord Blackmore“, erwiderte sie steif. „Das liegt mir nicht.“
Er unterdrückte ein Lächeln. „Ich verstehe. Vielleicht haben Sie einen besseren Plan.“
Sie spielte mit der Samtschnur ihres Retiküls. „Wie wäre es, wenn Sie mich in den Garten brächten? Ich könnte dann im Ballsaal auftauchen, und man würde glauben, dass ich die ganze Zeit über draußen spazieren gegangen bin. Wenn Sie selbst noch länger wegblieben, könnten Sie beiläufig erzählen, Sie seien allein fort gewesen.“
„Mit anderen Worten: Sie werden nicht lügen, aber es macht Ihnen nichts aus, mich dazu zu zwingen.“
„Das tut mir Leid“, sagte sie beschämt. „Sie haben Recht. Das darf ich nicht tun.“
„Ist schon in Ordnung.“ Er verkniff sich ein Schmunzeln. Noch nie war er einer Frau mit solchen Prinzipien begegnet. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, jemals so viel Spaß mit jungen, ehrbaren Damen gehabt zu haben. „Ich würde nicht zögern zu schwindeln, um Ihren Ruf zu retten.“
Sie lächelte matt. „Ich danke Ihnen.“
Er klopfte an die Decke der Kutsche und befahl dem Fahrer umzukehren. Daraufhin wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Miss Fairchild zu.
Sie blickte aus dem Fenster. Ihr Gesicht schimmerte hell im Mondlicht.
Was für ein geheimnisvolles Antlitz sie hatte . . . Am liebsten hätte er ihr die Maske abgenommen, um sie besser betrachten zu können. Das, was er sah, wirkte bereits sehr verführerisch: ihre hohe Stirn, die zart gerundeten Wangen, die vollen Lippen, das seidenweiche Haar.
Was war nur los mit ihm? Er war doch sonst auch nicht schwärmerisch veranlagt. Noch dazu entsprach die ehrbare Miss Fairchild gar nicht seinem gewohnten Frauentyp.
Jetzt sah sie ihn an. „Lord Blackmore, ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldigen, Sie in diese Lage gebracht zu haben.“
„Nein, nein“, sagte er mit einer abwehrenden Geste. „Wir haben beide einen Irrtum begangen. Mit etwas Glück wird niemand davon erfahren.“
„Und wenn doch?“
Er hatte das Bedürfnis, ihr zu versichern, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. „Ich würde tun, was nötig ist, Miss Fairchild, um Ihren Ruf zu schützen. Machen Sie sich keine Sorgen.“
„Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie mich heiraten“, fügte sie rasch hinzu, „aber wenn Sie vielleicht eine Geschichte erzählen könnten . . .“
„Ich werde tun, was nötig ist“, unterbrach er sie entschlossen. Als vermochte irgendeine Geschichte diese Situation zu erklären! „Niemand wird von unserem Ausflug erfahren. Ich habe mich schon aus viel schwierigeren Lagen herausmanövriert. “
„Davon bin ich überzeugt.“
Er lächelte über ihren strengen Tonfall. Wenn sie doch bloß diese verdammte Maske ablegen würde! Es behagte ihm nicht, dass sie sein Gesicht sah, er aber ihres nicht.
„Trotzdem“, meinte sie, „wenn es etwas geben sollte, wie ich meinen Irrtum . . . “
„Es gibt etwas“, bemerkte er, und die gefährlichen Worte entschlüpften ihm, bevor er sie noch zurückhalten konnte. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Maske abzunehmen?“
2. KAPITEL
Ich traf eine Dame auf dem Feld An Schönheit gleich der Feen Bild Ihr Haar war lang, ihr Schritt war leicht Und ihre Augen blickten wild.
John Keats, La belle dame sans merci
Verständnislos blickte Emily Lord Blackmore an. „Entschuldigen Sie?“
„Sie sind durch Ihre Maske im Vorteil, ich nicht.“ Seine Stimme klang heiser und vertraulich. „Ich möchte Sie ohne Maske sehen. Haben Sie etwas dagegen?“
Nur einen Augenblick zögerte sie, ehe sie die Hände hob, um die Bänder zu lösen. „Nein, natürlich nicht.“ Er war schließlich sehr höflich gewesen, seitdem sie ihre Differenzen bereinigt hatten.
Auch verstand sie, wie leicht er die
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