Mass Effect 02 - Der Aufstieg
Kahlee keine Biotikerin war, war sie mit den Techniken vertraut, die Hendel lehrte. Das Ascension-Projekt benutzte einfaches biomechanisches Feedback, wie die Faust zu ballen oder eine Hand in die Luft zu strecken als Mittel, um die biotischen Kräfte freizulassen. Wenn sich die grundlegende Muskelbewegung mit dem notwendigen komplexen Gedankenmustern verknüpften, schufen sie einen Auslösemechanismus für spezifische biotische Fähigkeiten. Durch Übung wurde die dazugehörige physische Aktion ein Katalysator für den benötigten geistigen Prozess und erhöhte die Geschwindigkeit und die Stärke des beabsichtigten biotischen Effekts.
„Du schaffst es, Gillian“, drängte Hendel. „So, wie wir es geübt haben.“
Das Mädchen begann, mit den Zähnen zu knirschen, ihre Faust verkrampfte sich so fest, dass sie zu zittern begann.
„Gutes Mädchen“, bestärkte sie Hendel. „Jetzt stoß deinen Arm nach vorn und stell dir ein durch den Raum fliegendes Kissen vor.“
Kahlee glaubte, dass sie ein schwaches Glimmen in der Luft sah, wie die Hitze, die von einem heißen Dach aufsteigt. Dann erhob sich das Kissen von selbst, flog in Richtung Kahlee und traf sie direkt ins Gesicht. Es tat nicht weh, aber es erwischte sie unvorbereitet.
Gillian lachte nervös vor Aufregung und Überraschung. Selbst Hendel lächelte. Kahlee schaute beide in gespielter Empörung böse an.
„Deine Reaktionszeit ist ein wenig langsamer, als sie mal war“, meinte Hendel.
„Ich glaube, ich lasse euch beide jetzt besser allein, bevor ich noch eine Lampe ins Gesicht kriege“, antwortete sie, bevor sie den Raum verließ und nach hinten zu den Sitzen der Passagierkabine ging.
Drei Tage waren vergangen, seit das Shuttle an der Idenna angedockt hatte, und sie warteten immer noch darauf, dass der Kapitän ihnen die Erlaubnis, an Bord zu kommen, erteilen würde. Während der Zeit hatte man sich gut um sie gekümmert. Aber Kahlee bekam allmählichen einen ernsthaften Lagerkoller.
Gillian und Hendel hatten ihre Langeweile bekämpft, indem sie sich darauf konzentrierten, die biotischen Talente des Mädchens weiterzuentwickeln. Sie machten in der unglaublich kurzen Zeit erstaunliche Fortschritte. Ob das vom Einzelunterricht mit Hendel kam oder weil der Anfall in der Cafeteria eine Art geistiger Sperre durchbrochen hatte, wusste Kahlee nicht. Und obwohl sie froh war, dass Gillian Fortschritte machte, konnte sie selbst doch wenig mehr tun.
Es war offensichtlich, dass Gillian überraschend gut mit ihrer Situation klar kam. Sie hatte immer gute und schlechte Tage gehabt. Die Schwere ihres Zustands war wie Ebbe und Flut gewesen. Während der letzten Tage hatte es immer wieder Zeiten gegeben, in denen Gillian sich einfach von dem, was um sie herum vorging, auszuschließen schien. Aber generell schien sie beständig bei der Sache zu sein und engagiert mitzuarbeiten. Kahlee war sich wiederum über die Gründe dafür nicht sicher. Es konnte daran liegen, dass sie viel mehr persönliche Aufmerksamkeit erfuhr, als sie je auf der Akademie erhalten hatte. Es konnte daran liegen, dass sie die engen Grenzen des Shuttles nicht verlassen durfte. Gillian kannte jeden einzelnen Zentimeter des Schiffs. Sie fühlte sich an Bord vielleicht beschützt und sicher. Im Gegensatz zum ungeschützten Klassenzimmer und den Gängen der Grissom-Akademie. Oder es hatte damit zu tun, dass sie mit weniger Leuten zu tun hatte. Abgesehen von Hendel und Kahlee war der einzige Besucher im Shuttle Lemm gewesen.
Er kam ein- oder zweimal am Tag vorbei, um sie darüber auf dem Laufenden zu halten, was an Bord der Idenna geschah. Außerdem berichtete er ihnen wichtige Neuigkeiten von anderen Schiffen der Flotte. Bei fast fünfzigtausend Schiffen, viele davon Frachter, Shuttles und noch kleinere Schiffe, gab es einen permanenten Austausch von Informationen.
Glücklicherweise erreichten durch die quarianischen Bestrebungen, Ressourcen für ihre Gesellschaft heranzuschaffen, täglich Dutzende Schiffe von nahe gelegenen Welten die Flotte. Wie versprochen hatte die Idenna von anderen Schiffen Nahrungsreserven angefordert, die für Menschen verträglich waren, zudem Schutzanzüge. Einen Tag nach ihrer Ankunft traf der Nachschub ein, und die Lagerräume des Shuttles waren bis zum Bersten gefüllt.
Wenig überraschend war, dass die Anfrage Verdächtigungen und Gerüchte im Rest der Flotte in Gang gesetzt hatte. Wie Lemm erklärte, war das einer der Gründe dafür, warum die Entscheidung so
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