Mata Hari
Bewunderung für seine Kenntnis auf dem Gebiet der Liebkosungen bezeugen und für seine Art sie zur Hingabe zu bewegen.« »Wenn sie mit ihm schläft, muß sie stets zu allem bereit sein; sie soll alle Teile seines Körpers streicheln; sie soll ihn küssen, wenn er eingeschlafen sein wird; sie soll ihn mit sichtlicher Sorge betrachten« ... »Nach dem ersten Besuch soll sie ihn anregen, einige Riten mit ihr feierlich auszuführen« ... »Die Frau muß nach Lotos und Blumen riechen, muß den Duft des Weines und des Meeres haben; sie muß Geschmack an Betel finden.«
Beim Weiterblättern fand ich noch folgende Dinge unterstrichen:
»Damit sein ganzes Wesen dir gehört, laß ihn einen Trank genießen, den du bereitest aus Chabapfeffer, Duchalawurzeln, Sansevierakörnern und Roxburguianakörnern, aus Kshiriasaft und Schadavanstrazweigen.« »Um zu gefallen, beachte wohl die Ratschläge des Atharva-Veda.«
Die Macht ihres Glaubens an diese orientalischen Lehren einer erotischen Wissenschaft ist so tiefgehend, daß wir nicht das Recht haben, die natürliche Entwicklung Mata Haris zu einer wahren Zauberin der Liebe in Zweifel zu ziehen. Dank den Lehren, die sie in den geheimen Büchern des Orients fand und den Erfahrungen, die ihr die praktischen Schulen der Wollust im Okzident vermittelten, hat sie folgerichtig dieses Ziel erreicht.
Wenn nicht, wie soll man sich ihre Macht der Verführung erklären, ihre absolute Herrschaft über die Männer, die einmal ihr Lager geteilt hatten. Man bedenke, daß ihre Opfer nicht immer einfältige Offiziere sind, auch nicht eitle Klubleute, die sich in den Foyers der Theater wie zu Hause fühlen, auch nicht reiche Bankiers mit gierigem Hunger nach exotischen Sensationen. Im Verlauf ihres Prozesses hat sie selbst gestanden, daß stets, wenn ein Mann ihr »genehm« war oder ihr »gefallen« hat, ihre Netze fein genug waren, ihn zunächst zu kapern und dann stark genug, ihn für lange gefangen zu halten. Unter diesen Männern erscheinen einer der berühmtesten Advokaten Europas, ein Botschafter, ein Kriegsminister, ein Ministerpräsident, ein kaiserlicher Prinz, ein Großfürst, ein hervorragender Künstler ... und viele, viele andere Ungenannte, die noch berauscht sind, wenn sie zurückdenken an die schrecklichen oder gehobenen Nächte in den Armen der Kurtisane Shivas, die erfüllt waren von fremdartigen Parfüms, von nie zuvor gefühlten Wonnen, von grausamen Küssen, von rasenden Sinnlichkeitsausbrüchen.
Es muß schon etwas Höllisches, Geheimnisvolles, Magisches auf den Lippen der Bajadere gewesen sein, damit sie eine so buchstäbliche Behexung aller, die in ihren Kreis traten, erreichen konnte. Denn nach dem Zeugnis derer, die sie auf der Höhe ihres Ruhmes ganz aus der Nähe sahen, bot ihre Schönheit nichts Außergewöhnliches. Sie war zweifellos ein hübsches Frauenzimmer, obgleich nicht mehr ganz jung, und auch mit etwas zu scharfen Zügen und schon etwas welkem Busen, aber immer noch schlank, schmuck, immer sehr elegant und stets pochend auf das Prestige ihrer Kunst und ihres Exotismus. Schönere als sie gibt es zweifellos viele; Verführerischere, Fähigere, die Männer in Sklaven zu verwandeln, ganz sicher keine. Die sie geliebt haben, geben dies zu. Und wenn es den Richtern und Sittenpredigern nicht gelang, eine derartige Herrschaft sich zu erklären, so kommt das daher, daß sie bei ihrer Blindheit nüchterner Menschen sich nicht Rechenschaft ablegen wollen über die immerhin mögliche Existenz einer Zauberei, einer schwer zugänglichen Fähigkeit zur Umgarnung, kurz einer magischen Kunst, die gewissen menschlichen Geschöpfen die teils erlernte, teils angeborene wunderbare Macht verleiht, den Willen derer aufzusaugen, die sich in ihr Bereich hineinziehen lassen.
Das Geheimnis Ihrer Seele
Wie sie selbst erzählte, hatte sie von allem Anfang an die Ahnung, ihr Leben, ihr Künstler- und Liebesleben würde ein magisches Gewebe aus unvorhergesehenen Ereignissen sein; und aus einem ihrer seltenen Briefe, die man veröffentlicht hat, erhellt tatsächlich, wie selbst in ihren blendendsten Augenblicken, auf dem höchsten Gipfel ihres Ruhmes, in völliger Ruhe und üppigem Reichtum, als ihr die Großen und Mächtigen von ganz Europa zu Füßen lagen, als sie fühlte, ihr Traum, ein Idol auf einem sagenumwobenen Altar zu sein, habe sich verwirklicht, wie selbst da etwas auf dem Grunde ihres Seins bei der geringsten Erschütterung erzittert und bebt. Einem der
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