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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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Freunde, die sie am zärtlichsten liebten, schreibt sie einmal: »Schützen Sie mich doch vor so vielen Dingen, die mir Pein bereiten und mir sogar die Arbeit verleiden.« Und wenn man erwägt, was die Frau, die sich so ausdrückt, war, wenn man bedenkt, daß ihre Füße bei ihren Triumphfahrten damals nur auf Blumenteppiche traten, wenn man sich erinnert, daß Fürsten im Vorzimmer ihres Palais warteten, dann verliert man sich in quälenden Fragen nach den geheimnisvollen Stimmen des Schicksals. Diese Bajadere hatte also mitten in ihrem Glanz Anfälle von düsterer Angst? Ihr Denken und Fühlen jedoch war weder abergläubisch noch leichtfertig. Ihre Moral erscheint stets auf sehr klare, höchst kluge und trostreiche Regeln gegründet. »Ich glaube aufrichtig«, schreibt sie, »daß, wer Gutes sät, schließlich auch Gutes ernten und wer Schlechtes sät, schließlich nur Schlechtes ernten wird und wer den Zweifel sät, nichts anderes als nur den Zweifel ernten kann.« An dieselbe Person etwas weiter unten: »Zuweilen glaubt man an Überraschungen des Schicksals, aber bald bemerkt man, jedem wird das Schicksal zuteil, das er sich bereitet.« Hartnäckig, bestimmt und energisch wie sie war, verfehlte sie nicht, sich Rechenschaft abzulegen darüber, daß ihre Kunst und Schönheit in Verbindung mit ihrer Jugend schließlich die Grundlagen ihrer Herrscherwürde waren. Und wenn wirklich, wie alle, die mit ihr verkehrten, versichern und der oben zitierte Brief es besonders deutlich zu machen scheint, eine vage Furcht vor späteren düsteren Ereignissen in ihr gelebt hat, dürfte es logischer sein, sie verborgenen Warnungen des Schicksals zuzuschreiben, als zu glauben, diese Frau wäre zur Zeit ihrer ersten Erfolge bereits von schlimmen Ahnungen gequält worden, wie sie Missetäter ständig haben.
    Hier glaube ich die Frage nach Mata Haris Unschuld an mich richten zu hören, die bereits mehrere spanische Schriftsteller, darunter der Senator Junoy, aufgeworfen haben. Nein, auf Pflicht und Gewissen gefragt, könnte ich nicht daran glauben.
    Denn wenn man ohne Leidenschaft und Vorurteil die Akten ihres Prozesses liest, ist es unmöglich, die Schuld dieser Frau zu leugnen. »Sie war schuldig«, sagen uns ihre zwölf Richter. »Sie war vom deutschen Spionagedienst bezahlt.« Wie soll man nach solchen Worten noch zweifeln? ... Diese Wahrheit, durch ein fürchterliches Urteil bekräftigt, erscheint jedoch um so anfechtbarer, je besser man das Leben, den Charakter und die Vorstellungen der unglücklichen Tänzerin studiert.
    Vom ehelichen Joch kaum befreit, im Frühjahr 1905, kurz nachdem sie im Museum der Religionen debütiert hatte, finden wir sie in einem der vornehmsten Hotels auf den Champs-Elysées auf das Prächtigste eingerichtet. Sie besitzt einen eigenen Wagen und kostbarsten Schmuck. Aber es wäre wohl lächerlich, diesen damaligen Glanz mit dem Golde der Berliner Agenten irgendwie in Verbindung zu bringen. Welche Dienste, frage ich, konnte den Generalen, die einen eventuellen Krieg gegen Frankreich ausarbeiteten, eine Fremde ohne Beziehungen, ohne Anhang im Lande, und als exotische Tänzerin noch kaum bekannt, wohl leisten? Gar keine. Und seit jener Zeit bis zum Tage ihrer Verhaftung war sie stets von einem ähnlichen Luxus umgeben, zeigte sie sich immer höchst verschwenderisch, zwang sie ihre kostspieligsten und tollsten Launen den Legionen von Anbetern aus allen Teilen der Welt lächelnd auf. In der Anklageschrift ihres Pariser Spionageprozesses nennt man als Beweis ihrer Schuld ihre intimen Beziehungen oder, besser gesagt, ihre Liebesverhältnisse mit hohen Persönlichkeiten, z. B. mit dem deutschen Kronprinzen, dem Herzog von Braunschweig, dem Polizeipräsidenten von Berlin. Doch wenn meine Psychologie mich nicht täuscht, wäre das weit eher ein leises Zeichen für ihre Unschuld, denn ein kaiserlicher Prinz, ein regierender Herr und ein hoher Beamter, selbst wenn sie Preußen oder mit dem preußischen Herrscherhause verbunden sind, haben im allgemeinen ihre Maitressen nicht unter den Spioninnen gewählt. Ferner schreibt der Major Massard in einem furchtbaren Buche: »Die Angeklagte hatte ein leidenschaftliches Verlangen nach Extremen, und man kann das, was ihr der Chef der Spionage während der ersten beiden Kriegsjahre schickte, auf mehr als fünfundsiebzigtausend Francs veranschlagen, was geradezu ungeheuer ist, wenn man bedenkt, daß die gewöhnlichen Agenten fast niemals mehr als tausend Francs erhielten.«

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