Mata Hari
Absicht, alles zu persönlichen Zwecken auszunützen. »Paul«, schreibt sie ein andermal, »muß in seiner Musik folgende drei Vorstellungen ausdrücken: Werdezeit, Wachstum, Blütezeit. Diese drei Entwicklungsstufen entsprechen den Kräften von Brahma, Vischnu und Shiva, das heißt der Schöpfung, Fruchtbarkeit, Zerstörung. Die Zerstörung ist in diesem Fall schöpferisch; daher kommt Shiva Brahma mindestens gleich, wenn er ihn nicht noch übertrifft. Aus der Zerstörung ins Werden und schließlich zur Schöpfung, das muß der Tanz ausdrücken.« Das Thema der geweihten und sinnlichen Blume, die sich beim Hauch der mystischen Liebe verklärt, scheint sie nicht mehr loszulassen. Diese und eine Bronzestatue und ein Prinz, dessen hieratische Gesten das buddhistische Ritual heraufbeschwören, das sind ihr genügend Elemente, um sich daraus einen Rahmen zu machen für die Wirkungen ihrer Ambranacktheit. Diese Wirkungen ließen sie nicht im Stich; sie äußerten sich in Murmeln der Überraschung und Schauern der Wollust.
Das Einzige, das inmitten dieser krausen Gefühle immer eine klare Haltung zeigt, scheint nicht den Bucherinnerungen, sondern der Tiefe ihres Charakters zu entspringen: und das ist der innerste Kern ihrer Philosophie. Wir zitieren wieder einen Brief an einen Freund. Da schreibt sie: »Du wirst sterben, wie alles stirbt; spürt man, daß der Tod naht, dann muß man in vollen Zügen die schönen und stolzen Augenblicke auskosten: es ist mehr wert, auf Erden nur ein kurzes und angespanntes Leben zu verbringen, als sich bis in ein Alter ohne Schönheit hineinzuschleppen.« Offenbar also ist für die Tänzerin die Schönheit nicht das, was sie für die orientalischen Weisen ist, die auch von einem Dasein ohne Hinfälligkeit im Alter predigen; sie ist für sie weder ein geistiger Glanz noch eine reine, ideale, völlig in Anspruch nehmende Kunstbegeisterung; sondern einzig und allein das Zusammenspiel von Wille und Charme, wodurch sie sich ihren unmittelbaren Triumph, ihre persönliche Verführungsgabe sichert.
Geldgier, die Massard ihr zuschreibt, ist nicht ganz deutlich ersichtlich aus den authentischen Berichten über sie. Gegen alle, die in ihr einen Luxusgegenstand sahen und ihre Gunst zu erobern trachteten, war sie zweifellos so etwas wie ein Raubvogel; aber gleichzeitig darf man nicht außer acht lassen, mit welcher Freigebigkeit sie denen, die ihr dienten, einen Teil ihrer Reichtümer spendete.
»Nehmt«, schien sie ihnen zu sagen, »nehmt und versucht von diesem Golde wegzuwischen, was ihm von Spuren der Schande etwa anhaftet.« Denn auf dem Grunde ihrer echt holländischen Seele, bei ihrer Wohlerzogenheit, Ehrfurcht vor der sozialen Rangordnung, Erpichtheit als Aristokratin genommen zu werden, muß ihr die wahre Quelle, woraus ihr Luxus floß, zweifellos recht anrüchig erschienen sein. Jemand, der sie genau kannte, legt ihr folgenden charakteristischen Monolog auf die Lippen: »Jetzt bin ich Königin ... Ich habe meinen Hof und meine Höflinge. Ginoceli mit seiner Hyänenschnauze und seiner Verrätermiene würde es sich nicht entgehen lassen, mich zu besuchen und säße ich eines Tages selbst in der Hölle. Und Cravard, der Millionär, wäre imstande, meinetwegen den lieben Gott zu verschachern! ... Und Lord Clavenmoore, äußerlich ebenso puritanisch, wie innerlich ein lockerer Zeisig! Ah! Ihre Juwelen und Blumen sind mir ein Greuel! ... In der Schönheit steckt ein gut Teil Verruchtheit. Die Männer sind schrecklich. Die mich anbeten, macht ein Lächeln von mir rasend, so daß sie oft nahe daran sind, einander beinahe aufzufressen. Der Großfürst Basil, ein Nero, wenn er betrunken ist, oh, wie abscheulich! Und der Graf von G ..., Intimus des Kaisers, Offizier der Garde, den braucht man nur essen zu sehen, dann weiß man alles! ... Oh, diese Ungeheuer! Ihre Schmeicheleien machen mich krank; ihre Zärtlichkeiten machen mich erstarren ...« Daß diese Äußerungen wirklich so gefallen sind, ist sehr wahrscheinlich; nur war Mata Hari viel zu eitel, sie vor ihren Freunden laut werden zu lassen: statt zu tadeln, verhehlte sie; und um ihr Spiel zu verbergen, um nicht als käufliche Kurtisane dazustehen, sondern als Göttin, hatte sie sich ihre wunderliche Kunst bereitet und ihren geweihten Ursprung erfunden ...
Die Kunst und die Schönheit, ganz besonders die Schönheit, genügten von Anbeginn ihres freien Lebens mit dem Stempel der großen Abenteuerin, ihr eine beneidenswerte Lage zu sichern.
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