Mathias Sandorf
Anwandlung von Verzweiflung selbst tödten wollen.
Pointe Pescade eilte, sobald er das Unglück vernommen zum Telegraphenbureau.
Nach einer Stunde war die Nachricht von dem Selbstmorde des jungen Mannes im Besitz des Doctors Antekirtt in Cattaro.
Es ist unmöglich, den Schmerz der Frau Bathory zu schildern, als sie vor ihrem Sohne, der nur noch wenige Stunden zu leben hatte, aus ihrer Ohnmacht erwachte. Doch die Energie der Mutter siegte über die Schwäche der Frau. Erst galt es zu sorgen. Thränen konnten später fließen.
Man brachte Peter Bathory sterbend seiner Mutter. (S. 263.)
Ein Arzt wurde geholt. Er kam sogleich, untersuchte den Verwundeten und lauschte auf den schwachen und pausirenden Athem seiner Brust. Er sondirte die Wunde, legte den ersten Verband an und that, was in seinen Kräften stand; allein Hoffnung konnte er nicht geben.
Fünfzehn Stunden später hatte sich der Zustand Peter’s in Folge Hinzutretens einer sehr starken Blutung noch verschlechtert und sein Athem, kaum hörbar, drohte in jedem Augenblicke mit einem letzten Seufzer zu entfliehen.
Ihre Mutter sank vor dem Bett auf die Knie. (S. 270.)
Frau Bathory war auf die Knie gesunken und betete zu Gott, er möge ihr den Sohn erhalten.
Plötzlich öffnete sich die Thür des Zimmers. Doctor Antekirtt trat herein und ging auf das Bett des Sterbenden zu.
Frau Bathory wollte ihm in den Weg treten. Ein Zeichen von ihm hemmte ihren Schritt.
Der Doctor beugte sich über Peter und untersuchte ihn aufmerksam, ohne ein Wort zu sprechen. Dann betrachtete er ihn mit unwiderstehlicher Stetigkeit.
Gleichsam als strömte aus seinen Augen eine magnetische Kraft, schien dieser Blick in das Gehirn zu dringen, wo die Gedanken zu erlöschen drohten, das eigene Leben mit dem eigenen Willen.
Peter drehte sich plötzlich auf die Seite. Seine Augenlider erhoben sich, er sah den Doctor an… und fiel leblos zurück.
Frau Bathory stürzte mit einem Schrei über ihren Sohn und sank dann ohnmächtig in die Arme des alten Borik.
Der Doctor schloß die Augen des jungen Todten; er richtete sich dann wieder auf und verließ das Zimmer. Man hätte ihn jenen Spruch aus den indischen Legenden murmeln hören können:
»Der Tod zerstört nicht, er macht nur unsichtbar!«
Achtes Capitel.
Ein Zusammentreffen im Stradone.
Peter’s Tod machte in der Stadt gewaltiges Aufsehen, doch Niemand ahnte den wahren Beweggrund von Peter Bathory’s Selbstmord, namentlich argwöhnte kein Mensch, daß Sarcany und Silas Toronthal Schuld an diesem Unglück hatten.
Am nächsten Tage, dem 6. Juli, sollte die Hochzeit Sarah Toronthal’s mit Sarcany gefeiert werden.
Von dem unter so rührenden Umständen erfolgten Selbstmorde hatten weder Frau Toronthal noch ihre Tochter eine Ahnung. Silas Toronthal hatte im Einverständnisse mit Sarcany seine Vorsichtsmaßregeln in dieser Hinsicht getroffen.
Man war übereingekommen, daß die Heirat in bescheidener Form vollzogen würde. Man wollte einen Todesfall in der Familie Sarcany’s vorschützen. Dergleichen entsprach zwar nicht den prunkliebenden Gewohnheiten Toronthal’s, doch unter diesen Umständen hielt er es selbst für besser, daß die Dinge ohne großes Aufsehen zu erregen ihren Verlauf nahmen. Die Neuvermählten sollten nur wenige Tage in Ragusa bleiben und dann nach Tripolis abreisen, wo Sarcany’s ständiger Wohnsitz wäre, so sagte man. Ein Empfang im Hotel des Stradone sollte ebenfalls unterbleiben, sowohl bei Verlesung des Ehecontractes, welcher der jungen Frau ein beträchtliches Vermögen sicherstellte, als auch nach der kirchlichen Handlung in der Franziskaner-Kirche, welche unmittelbar der standesamtlichen Trauung folgen sollte.
An jenem Tage lustwandelten, während im Hotel Toronthal die letzten Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen wurden, zwei Männer auf der gegenüberliegenden Seite des Stradone.
Es waren Kap Matifu und Pointe Pescade.
Doctor Antekirtt hatte Kap Matifu von Ragusa zurückgebracht. Seine Gegenwart war in Cattaro nicht mehr von Nöthen und daß die beiden Freunde, die beiden »Zwillinge«, wie Pointe Pescade sie nannte, über ihre Wiedervereinigung sehr glücklich waren, kann kaum bezweifelt werden.
Als der Doctor kaum in Ragusa angelangt war, hatte er sofort den Besuch in der Marinella-Straße gemacht; dann hatte er sich in ein bescheidenes Hotel in der Vorstadt Plocce zurückgezogen, woselbst er die Heirat Sarcany’s mit Sarah Toronthal abwarten wollte, ehe er weitere Schritte
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