Mathias Sandorf
gehen, er stellte ihren Geschmacksrichtungen keine Hindernisse entgegen, er beschränkte sie nicht in ihren Werken der Mildthätigkeit, denen er sich sogar anschloß, doch nur um damit zu prahlen. Er zeigte sich, Alles in Allem genommen, indifferent. Bei ihr war es, offen gesagt, mehr Widerwille als Abneigung.
Frau Toronthal gegenüber zeigte Sarah eine ganz andere Gesinnung. Wenn auch die Frau des Banquiers der Herrschsucht ihres Gatten sich unterordnete, der ihr wenig Ehrerbietung zeigte, so war sie wenigstens eine gutmüthige Natur und durch ihren ehrenhaften Lebenswandel, durch ihre Sorgfalt, persönlich würdig zu erscheinen, tausendmal mehr werth als jener. Frau Toronthal liebte Sarah herzlich. Unter der Zurückhaltung des jungen Mädchens hatte sie die seltensten Gaben zu entdecken gewußt. Doch diese in ihr widerhallende Neigung war gleichsam eine überspannte, Bewunderung mischte sich in ihr mit Achtung, ja fast mit ein wenig Furcht. Die Erhabenheit in dem Charakter Sarah’s, ihre Geradheit und stellenweise Unbeugsamkeit konnten diese befremdliche Form der mütterlichen Liebe erklären. Die Tochter erwiderte indessen Neigung mit Neigung. Auch ohne die Bande der Blutsverwandtschaft würden die Beiden aneinander großen Gefallen gefunden haben.
Man wird also nicht weiter überrascht sein zu hören, daß Frau Toronthal die Erste war, welche ahnte, was im Geist und Herzen Sarah’s vorging. Das junge Mädchen hatte mit ihr oft über Peter Bathory und seine Familie gesprochen, ohne den schmerzlichen Eindruck zu gewahren, den dieser Name auf ihre Mutter ausübte. Sobald Frau Toronthal bemerkt hatte, daß Sarah Peter liebte, sagte sie sich:
»Gott will also doch!«
Man ahnt, welchen Sinn diese Worte aus dem Munde Frau Toronthal’s hatten, doch was man noch nicht wissen kann, ist, eine wie gerechte Entschädigung für das der Familie Bathory zugefügte Unrecht die Liebe Sarah’s zu Peter gewesen wäre.
Wenn Frau Toronthal wirklich glauben konnte, daß diese Liebe nach den Absichten der Vorsehung entstanden war, so mußte sie, deren Seele fromm und gläubig war, auch ihren Mann zu bewegen suchen, eine Annäherung der beiden Familien zu Stande zu bringen. Ohne Sarah etwas davon zu sagen, beschloß sie, sich mit ihm über diesen Punkt auszusprechen.
Bei den ersten Worten, die seine Frau sprach, ging Silas Toronthal in einer Anwandlung von Zorn, über die er nicht Meister werden konnte, über jedes Maß hinaus. Frau Toronthal, durch die Anstrengung hinfällig, mußte sich bei seinen Drohungen schleunigst in ihr Gemach zurückziehen.
»Nehmen Sie sich in Acht, Madame! hatte er schließlich geschrieen. Wenn Sie jemals wagen, mit mir nochmals von diesem Project zu sprechen, so dürften Sie es sehr bereuen!«
Also das, was Silas Toronthal das Fatum nannte, hatte nicht nur die Familie Bathory nach Ragusa geführt, sondern auch Sarah und Peter zu einander; sie hatten sich kennen gelernt und nicht gezögert sich ineinander zu verlieben.
Man wird sich vielleicht fragen, woher dieser große Zorn des Banquiers stammte. Hatte er vielleicht schon geheime Absichten auf die Zukunft Sarah’s, welche deren Gefühle nun durchkreuzten? Mußte es ihm im Gegentheile nicht ganz lieb sein, daß den Folgen, welche eine Entdeckung seiner unwürdigen Angeberei haben mußte, schon im Voraus nach Möglichkeit entgegengearbeitet wurde? Was hätte Peter Bathory noch sagen können, wenn er der Gatte Sarah Toronthal’s geworden wäre? Was hätte dann Frau Bathory unternehmen können? Es wäre allerdings eine schreckliche Situation geworden, der Sohn des Opfers verheiratet mit der Tochter des Mörders, aber schrecklich für sie selbst, nicht für ihn, Silas Toronthal.
Es hätte also Alles besser gestanden, wenn Sarcany nicht gewesen wäre, von dem man ohne Nachrichten war. Seine Rückkehr war immer noch möglich und eventuelle Verpflichtungen der Beiden höchst wahrscheinlich noch vorhanden. Sarcany war gewiß der Mann dazu, sich dieser zu erinnern, sobald das Glück ihm den Rücken wenden sollte.
Silas Toronthal war zweifellos sehr besorgt, was aus seinem ehemaligen Geschäftsträger in Tripolis geworden war. Seit ihrer Trennung nach der Triester Affaire hatte er von ihm nichts mehr gehört und das war nun schon an fünfzehn Jahre her. Selbst in Sicilien, wo Sarcany, wie er wußte, durch seinen Freund Zirone Verbindungen unterhielt, waren die Nachforschungen erfolglos geblieben. Und doch konnte Sarcany von einem Tage zum andern
Weitere Kostenlose Bücher