Mathias Sandorf
Sandorf angestellt worden waren, doch keinen Erfolg gehabt hätten. Ich wurde für todt gehalten – für ebenso todt, als wenn ich mit meinen beiden Genossen, Ladislaus Zathmar und Deinem Vater Stephan, auf dem Schloßhofe von Pisino erschossen worden wäre.
– Ich todt!… Nein, Peter, und man soll noch sehen, daß ich am Leben bin!«
Peter Bathory hatte aufmerksam der Erzählung des Doctors gelauscht. Er war ebenso lebhaft davon ergriffen, als wenn das Gesagte zu ihm aus der Grabesgruft hinübergeschallt hätte. Ja, so nur konnte Graf Mathias Sandorf sprechen! Ihm gegenüber, der ein lebendiges Abbild seines Vaters vorstellte, war die gewöhnlich gezeigte Kälte allmählich gewichen; er hatte ihm vollständig seine Seele geöffnet, er wollte sich ihm so zeigen, wie er war, nachdem er so viele Jahre hindurch sich hatte verstellen müssen. Mathias Sandorf hatte aber bisher noch nichts davon gesagt, was zu hören Peter eifrig verlangte, noch nichts davon, wobei er auf seine Hilfe rechnete.
Was der Doctor von seiner kühnen Ueberfahrt über das Adriatische Meer erzählt hatte, entsprach bis in die kleinsten Einzelheiten der Wahrheit. Er war heil und gesund in Brindisi angekommen, während Mathias Sandorf ein für alle Male todt war.
Es handelte sich zunächst für ihn darum, Brindisi so schnell als möglich zu verlassen. Diese Stadt ist nur ein Durchfahrtshafen. Man schifft sich dort nach Indien ein, oder nach Europa aus. Sie liegt gewöhnlich verlassen da, nur an einem oder zwei Tagen in der Woche herrscht in ihr reges Leben, wenn die überseeischen Dampfer eintreffen, namentlich diejenigen der »
Peninsular and Oriental Company
«. Der durch diese bewirkte Verkehr genügte aber gerade, um den Flüchtling von Pisino unter Umständen erkannt werden zu lassen und wenn er auch, um es nochmals zu wiederholen, für sein Leben nichts zu fürchten hatte, so war es ihm doch von großer Wichtigkeit, daß man an seinen Tod glaubte.
Darüber dachte der Doctor nach, als er am Tage nach seiner Ankunft in Brindisi am Fuße der Terrasse lustwandelte, welche die Säule der Kleopatra beherrscht, gerade dort, wo die alte appische Straße beginnt. Den Plan seines neuen Lebens hatte er sich schon zurechtgelegt. Er wollte nach dem Orient gehen, dort Reichthümer sammeln und mit ihnen Macht. Es paßte aber nicht in seinen Plan, auf einem der Packetboote, inmitten von Passagieren aller Nationalitäten, die Ueberfahrt zu machen, welche den Verkehr mit der Küste Kleinasiens unterhalten. Er konnte sich nur eines weniger auffälligen Transportschiffes bedienen, das er allerdings in Brindisi nicht finden konnte. Er fuhr also noch am selben Abend mit der Eisenbahn nach Otranto.
In anderthalb Stunden hatte der Zug diesen Ort erreicht, der fast am Endpunkte des Absatzes des italienischen Stiefels, an jenem Canale gelegen ist, welcher den schmalen Eingang zum Adriatischen Meere bildet. In diesem halbverlassenen Hafen konnte der Doctor mit dem Eigenthümer einer Schebecke handelseinig werden, die zum Auslaufen nach Smyrna bereit lag und eine Partie albanesischer Pferde an Bord hatte, für welche sich in Otranto kein Käufer gefunden.
Am folgenden Tage stach die Schebecke in See und der Doctor konnte am Horizont den Leuchtthurm von Punta di Lucca, auf der äußersten Spitze verschwinden sehen, während auf der gegenüberliegenden Küste die Akrokeraunischen Berge im Nebel versanken. Einige Tage später, nach einer ungestörten Ueberfahrt, wurde Kap Matapan am äußersten Ende Süd-Griechenlands umsegelt und die Schebecke in den Hafen von Smyrna bugsirt.
Ich ergriff eine dieser Ketten. (S. 293.)
Der Doctor hatte Peter mit kurzen Worten diesen Theil seiner Reise erzählt, dann auch, wie er aus den Zeitungen den Tod seiner Tochter erfahren hatte, die ihn ganz allein auf Erden zurückließ.
»Endlich, fuhr er fort, befand ich mich auf dem Boden Kleinasiens, woselbst ich nun so viele Jahre unbekannt leben sollte. Die Studien der Medicin, Chemie
Ich zog mich zwischen die Klippen zurück. (S. 294.)
und Naturwissenschaften, denen ich während meiner Jugend auf den Schulen und Universitäten Ungarns – an denen Dein Vater mit so ausgezeichnetem Rufe lehrte – obgelegen hatte, mußten jetzt herhalten, um meinen Unterhalt zu bestreiten.
– Das Glück war mir über Erwarten hold, und zuerst in Smyrna, wo ich sieben oder acht Jahre wohnen blieb, verschaffte ich mir einen bedeutenden Ruf als Arzt. Einige glücklich ausschlagende
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