Mathias Sandorf
Hafen von Cyrene, das Land von Barcah, alle die Städte, welche aus dem alten Ptolemaïs, Berenike, Adrianopolis entstanden sind, mit einem Worte, die alte, einst griechische, macedonische, römische, persische, sarazenische und so weiter, jetzt arabische und vom Paschalik von Tripolis abhängige Pentapolis. Die Zufälligkeiten seiner Reise – er reiste eben dahin, wohin man ihn gerade rief – führten ihn bis auf die zahlreichen Inseln, die vor der lybischen Küste besonders stark ausgesät zu sein scheinen: auf Pharos und Anthírode, die Zwillingsinseln von Plinthine, Enesipte, die Tyndarienischen Felsen Pyrgos, Platea, Ilos, die Hyphalen, Pontienen, die Weißen Inseln und endlich auf die Syrten.
Dort, im Golfe von Sidra, dreißig Meilen südwestlich von dem türkischen Vilajet Ben-Ghazi, zog der dem Festlande zunächst gelegene Punkt, die Insel Antekirtta, besonders seine Aufmerksamkeit auf sich. Man nannte die Insel so, weil sie vor den anderen Inseln der Syrten-oder Kyrten-Gruppen gelegen ist. Der Doctor nahm sich von jenem Tage an vor, sie einstmals für sich zu erwerben, und gleichsam als Pfand für die spätere Besitzergreifung legte er sich den Namen Antekirtt bei, ein Name, dessen Bedeutung sich bald über ganz Kleinasien erstreckte.
Zwei sehr gewichtige Gründe hatten ihm diese Wahl vorgeschrieben: erstlich war Antekirtta geräumig genug – achtzehn Meilen im Umfange groß – um das Personal aufnehmen zu können, das er hier zu vereinigen gedachte; die Insel lag hoch genug, denn ein Felskegel, der sich zu einer Höhe von achthundert Fuß erhebt, gestattete es, den Golf bis zur Küste von Cyrene zu überschauen; ihre Erzeugnisse wechselten sehr ab und kleine Gewässer befeuchteten sie, so daß sie den Bedürfnissen von einigen tausend Einwohnern vollständig genügen konnte. Sodann war sie im Innern des Meeres gelegen, das furchtbar durch seine Stürme war, und in alten Zeiten den Argonauten gefährlich wurde; Apollonius von Rhodos, Horaz, Virgil, Properz, Seneca, Valerius Flaccus, Lucanus und viele andere Geographen und Dichter, Polybius, Sallust, Strabo, Mela, Plinius, Procopus schilderten und besangen die Gefahren, die aus den Syrten erwachsen, aus den »Hinunterziehenden«. – Diese Bedeutung liegt ihrem Namen zu Grunde.
Die Insel bildete also ein kleines Reich für sich, wie es dem Doctor Antekirtt gerade paßte. Er erwarb sie für eine beträchtliche Summe als alleiniges Eigenthum, ohne feudale oder sonstige Verpflichtungen; der Abtretungsact wurde vom Sultan unterzeichnet und machte den Doctor Antekirtt zum souveränen Eigenthümer.
Drei Jahre bereits herrschte er auf dieser Insel. Ungefähr dreihundert europäische und arabische Familien hatten sich durch seine Anerbietungen und die Zusicherung eines sorgenlosen Lebens bewegen lassen, hier eine kleine Kolonie zu bilden, die im Ganzen vielleicht zweitausend Seelen umfaßte. Die Einwohner waren weder des Doctors Sclaven noch seine Unterthanen, sondern nur ihrem Oberhaupte ergebene Genossen, denen in diesem Winkel unserer Erdkugel ein neues Vaterland entstanden war.
Nach und nach wurde eine regelrechte Verwaltung mit einer zur Vertheidigung der Insel gebildeten Miliz eingeführt, ein Magistrat setzte sich aus den Edleren unter den Kolonisten zusammen, der jedoch kaum dazu kam, seines Amtes zu walten. Dann wurde nach den eigenen Plänen des Doctors, der dieselben den vorzüglichsten Werften Englands und Amerikas zusandte, jene wunderbare Flottille erbaut, Dampfschiffe, Dampfyachten, Schooners und »Electrics«, mit denen schnelle Fahrten durch das Bassin des Mittelmeeres unternommen werden konnten. Gleichzeitig begannen sich Befestigungen auf Antekirtta zu erheben; sie waren bis jetzt noch nicht vollendet worden, obgleich der Doctor diese Arbeiten, nicht ohne gewichtige Gründe, nach Kräften beschleunigte.
Antekirtta hatte also in diesen Strichen des Golfes von Sidra einen Feind zu befürchten? Ja! Und zwar eine furchtbare Secte, eine vollkommene Piratenverbrüderung, die mit neidischem und haßerfülltem Herzen einen Fremden diese Kolonie in der Nachbarschaft der libyschen Küste gründen sah.
Diese Secte war die muselmanische Brüderschaft des Sidi Mohammed Ben’ Ali-Es-Senusi. In diesem Jahre (1300 der Hedschra) zeigte sie sich drohender als je, und ihre geographische Domäne zählte fast drei Millionen Anhänger. Sie besaß in Aegypten, im europäischen und im asiatischen Theile des türkischen Reiches, im Lande der Baëlen und Tubus,
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