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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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daß es ein österreichischer Dampfer war. Doch war es nicht unmöglich, daß seine Bestimmung auf Brindisi oder Otranto lautete, oder daß er dort Station machte. Wenn das der Fall war, so mußte er in ungefähr vierundzwanzig Stunden dort eintreffen.
    – Mein Entschluß war gefaßt: ich wartete ab. In der Gewißheit, inmitten der Dunkelheit nicht bemerkt zu werden, hielt ich mich in der Richtung, welche die ungeheure Masse verfolgte, deren Geschwindigkeit eine nur mäßige war und die in der rollenden See kaum schwankte.
    – Endlich hatte der Dampfer mich erreicht. Sein über zwanzig Fuß aus dem Wasser ragender Vordersteven beherrschte das Meer rings umher. Ich wurde in den Schaum des Bugs verwickelt, doch nicht von ihm fortgeschleudert. Der lange eiserne Schnabel streifte mich und ich stieß mich kräftig mit der Hand ab. Das dauerte kaum einige Secunden. Dann, als ich die hohen Formen des Hintertheiles sich abzeichnen sah, klammerte ich mich auf die Gefahr hin, von der Schraube erfaßt zu werden, an das Steuerruder an.
    – Der Dampfer hatte glücklicher Weise volle Ladung, so daß seine tiefliegende Schraube nicht die Oberfläche des Wassers peitschte, denn sonst hätte ich dem Wirbel nicht widerstehen und mich nicht an der Handhabe festklammern können, wie ich es gethan. Wie bei allen diesen Schiffen, so hingen auch hier zwei eiserne Ketten vom Hintertheile herunter, die an dem Steuerruder befestigt waren. Ich ergriff eine dieser Ketten und zog mich bis zu ihrer Verankerung, dicht über dem Wasserspiegel empor; dort installirte ich mich, so schlecht und recht es eben anging, nahe dem Hintersteven…. Ich befand mich in verhältnißmäßiger Sicherheit.
    – Drei Stunden später brach der Tag an. Ich überlegte, daß ich noch zwanzig Stunden in dieser Lage ausharren müßte, falls der Dampfer in Brindisi oder Otranto anlegte. Vom Hunger und Durst mußte ich am Meisten leiden…. Sehr wichtig war der Umstand, daß ich vom Deck aus nicht bemerkt werden konnte, nicht einmal von dem Rettungsboote aus, das auf dem Hinterdeck zwischen seinen Trägern ruhte. Von uns entgegenkommenden Schiffen konnte ich allerdings gesehen und signalisirt werden, doch nur wenige Schiffe kreuzten uns an diesem Tage und diese fuhren in so großer Entfernung an uns vorüber, daß sie kaum den Menschen erblicken konnten, der in den Ketten des Steuerruders hing.
    Die glühenden Sonnenstrahlen gestatteten mir bald, meine Kleidungsstücke zu trocknen, deren ich mich entledigte. Die dreihundert Gulden Andrea Ferrato’s befanden sich noch immer in dem Gürtel um meinem Leibe. Sie mußten mir Sicherheit verschaffen, sobald ich am Lande war. Dort hatte ich nichts mehr zu befürchten. Im fremden Lande drohte mir von den Agenten Oesterreichs keine Gefahr. Es gab noch keinen Auslieferungsvertrag bezüglich politischer Flüchtlinge. Ich wollte indessen nicht nur, daß mein Leben gerettet war, sondern auch, daß man an meinen Tod glaubte. Niemand durfte erfahren, daß der letzte Flüchtling aus dem Wartthurme von Pisino den Fuß auf italienischen Boden gesetzt hatte.
    – Was ich wollte, ging in Erfüllung. Der Tag ging ohne Zwischenfälle vorüber. Die Nacht brach herein. Gegen zehn Uhr Abends blitzte südwestlich ein Feuer in regelmäßigen Pausen auf. Es rührte vom Leuchthurme von Brindisi her. Zwei Stunden später lenkte der Dampfer in das Fahrwasser zum Hafen ein.
    – Doch bevor noch der Lootse an. Bord gekommen war, zwei Seemeilen vom Lande entfernt, verließ ich die Ketten des Steuerruders, nachdem ich aus meinen Kleidungsstücken ein Bündel gemacht und mir um den Hals gebunden hatte; ich ließ mich sanft in das Wasser gleiten.
    – Eine Minute später hatte ich das Schiff aus den Augen verloren, dessen Dampfpfeife seine heulenden Signale gab.
    – Nach einer halben Stunde landete ich bei ruhigem Meere an einem brandungfreien Ufer, vor jedem Blicke geborgen; ich zog mich zwischen die Klippen zurück, kleidete mich dort wieder an und inmitten einer mit trockenem Seetang ausgefüllten Mulde entschlummerte ich: die Abspannung besiegte den Hunger.
    – Bei Tagesanbruch ging ich nach Brindisi hinein, ich sachte eines der einfachsten Gasthäuser auf und wartete dort die Ereignisse ab, bevor ich mir den Plan zu einem ganz neuen Leben zurechtlegte.
    – Nach zwei Tagen belehrten mich die Zeitungen, daß die Verschwörung von Triest ihr Ende erreicht habe. Man schrieb auch, daß Nachforschungen nach dem Verbleib des Körpers des Grafen Mathias

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