Mathias Sandorf
Bestandtheile Schichten von Trachyten und Basalten zum Vorschein kommen lassen, gegen welche die Elemente noch nicht ankämpfen konnten.
Vor ihnen erhob sich der eigentliche Kegel des Vulcans, um den hier und da einige Phanerogamen grünende Kreise bildeten. Dieses centrale Höckersystem, das ein ganzes Gebirge für sich bildet – Pelion auf dem Ossa – schließt mit seiner äußersten Spitze in einer Höhe von dreitausenddreihundertsechzehn Metern über dem Meeresspiegel ab.
Dort erzitterte schon der Boden unter ihren Füßen. Schwingungen, hervorgebracht durch die plutonische Thätigkeit, die unermüdlich den Aetna durchtobt, pflanzten sich unter der Schneedecke fort. Streifen von Schwefeldämpfen, die der Wind aus der Oeffnung des Kraters trieb, wurden mitunter bis zur Basis des Kegels niedergedrückt und ein Schauer von Schlackenstückchen, ähnlich dem weißglühenden Cokes, fiel auf den weißen Teppich herab, auf dem dieselben zischend verloschen.
Die Luft war bereits eine bitter kalte – mehrere Grade unter Null – und die Schwierigkeit, Athem holen zu können, machte sich bereits in Folge der Verdünnung der Luft sehr fühlbar. Die Bergsteiger mußten sich fest in ihre Reisemäntel hüllen. Ein scharfer Wind, welcher das Gebirge bestrich, führte spitzige Flocken mit sich, die er dem Boden entrissen hatte und welche nun in der Luft umherwirbelten. Von dieser Höhe aus konnte man, unterhalb des feuerspeienden Rachens, in welchem sich ein schnaubendes Flammenmeer bemerkbar machte, andere Krater untergeordneter Gattung überblicken, schmale Schwefelgruben oder düstere Schachte, in deren Innerem unterirdische Feuer glühten. Ein fortwährendes Grollen mit orkanartigem Anschwellen machte sich vernehmbar, so wie es ähnlich ein ungeheurer Dampfkessel von sich geben würde, wenn der überhitzte Dampf die Ventile emporhebt. Ein Ausbruch war aber nicht zu befürchten. Dieser ganze innere Zorn des Berges verrieth sich nur durch das Grollen des obersten Kraters und ein Aufstoßen in den vulcanischen Rachen, welche den Gipfel durchlöcherten.
Die neunte Stunde war angebrochen. Am Himmel erglänzten Milliarden von Sternen, welche die Dünne der Luft in dieser Höhe noch funkelnder erscheinen ließ. Der aufsteigende Mond badete sich im Westen in den Wogen des äolischen Meeres. Auf einem anderen Gebirge, welches keinen thätigen Vulcan in sich barg wäre diese Ruhe der Nacht eine wahrhaft überwältigende gewesen.
»Wir müssen nun bald an Ort und Stelle sein? fragte der Doctor.
– Dort ist die Casa Inglese,« antwortete der Führer.
Und er wies auf eine Mauerwand, in welche zwei Fenster und eine Thür eingelassen waren, die sein bewanderter Blick in der Entfernung von fünfzig Schritten, das heißt also vierhundertachtundzwanzig Meter unterhalb des Randes des Centralkegels sich vom Schnee abheben sah. Es war das im Jahre 1811 von englischen Officieren auf einem von Lava gebildeten Plateau Namens Piano del Lago errichtete Haus. 1
Dieses Haus, welches man auch die Casa Etnea nennt, wurde lange Zeit hindurch auf Kosten des Herrn Gemellaro, des Bruders des gelehrten Geologen gleichen Namens, unterhalten, neuerdings war es durch die Bemühungen des Alpenclubs wieder in Stand gesetzt worden. Nicht weit davon starrten durch die Dunkelheit einige Ruinen römischen Ursprunges den Kommenden entgegen; man hat ihnen den Namen »Thurm der Philosophen« gegeben. Von dort hat sich, so behauptet die Sage, Empedokles in den Krater gestürzt. In Wirklichkeit gehört schon eine ganz einzige Dosis von Philosophie dazu, acht Tage an diesem einsamen Orte zuzubringen und man kann sich die That des Philosophen von Agrigent wirklich erklären.
Der Doctor Antekirtt, Peter Bathory und der Führer hatten sich mittlerweile der Casa Inglese zugewendet. Sie klopften an die Thür, die sich ihnen sofort öffnete.
Einen Augenblick später befanden sie sich inmitten ihrer Leute. Diese Casa Inglese besteht nur aus drei Zimmern, die mit Tischen, Stühlen und Küchengeräthschaften ausstaffirt sind; diese Einrichtung genügt indessen den Aetna-Touristen vollständig, die zufrieden sind, wenn sie sich ruhen können, nachdem sie eine Höhe von zweitausendachthundertfünfundachtzig Meter erreicht haben.
Bis jetzt hatte Luigi, in der Furcht, daß die Anwesenheit seines kleinen Streifcorps sich verrathen könnte, kein Feuer anmachen wollen, obwohl die Kälte recht schmerzte. Doch nun war es nicht mehr nöthig, so große Vorsicht anzuwenden, da
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