Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
werden, meinen Willen an Stelle des seinigen setzen kann.
    – Trotzdem der Mann nicht krank ist?
    – Glaubst Du denn, daß die Wirkungen der Hypnose sich nur bei Nervenkranken zeigen? Nein, Peter, gerade die Irrsinnigen sind die unbrauchbarsten Medien. Im Gegentheil, das Subject muß einen Willen haben und nur die Umstände kamen mir zu Hilfe, indem sie mich in diesem Carpena eine vorzüglich sich meinem Willen fügende Natur finden ließen. Er wird so lange in Schlaf versunken sein, bis ich selbst mich bewogen fühlen werde, diesen Schlaf enden zu lassen.
    – Gut, aber welchen Zweck hat dieser Schlaf, da es doch unmöglich ist, Carpena in diesem Zustande von dem sprechen zu lassen, was uns zu wissen wünschenswerth erscheint, erwiderte Peter.
    – Richtig, sagte der Doctor, und es ist sehr klar, daß ich ihn nicht etwas sagen lassen kann, was ich selbst nicht weiß. Aber wohl steht es in meiner Macht, ihn zu zwingen, es zu thun, und wann es mir gefallen wird, es ihn thun zu lassen, ohne daß sein Wille sich dem zu widersetzen wagen wird. Zum Beispiel morgen, übermorgen, in acht Tagen, in sechs Monaten, selbst wenn er in einem wachenden Zustande sich befindet. Wenn ich will, daß er das Präsidio verläßt, so wird er es verlassen!
    – Das Präsidio verlassen, frei ausgehen? fragte Peter ganz betroffen…. Erst müssen seine Wächter das doch gestatten! Der Einfluß der Eingebung kann doch nicht bis dahin gehen, daß seine Kette gelöst, das Bagnothor geöffnet, eine unübersteigbare Mauer übersteigbar wird…?
    – Nein, Peter, antwortete der Doctor, ich kann ihn allerdings nicht dazu zwingen, zu thun, was ich selbst nicht würde unternehmen können, und aus diesem Grunde mache ich den Besuch beim Gouverneur von Ceuta.«
    Der Doctor Antekirtt übertrieb in keiner Weise. Diese Eingebungssacta im hypnotischen Zustande sind jetzt erwiesen. Die Arbeiten und Beobachtungen von Charcot, Brown-Séquard, Azam, Richet, Dumontpailler, Maudsley, Hack Tuke, Rieger und vielen anderen Gelehrten lassen in dieser Beziehung keinen Zweifel mehr aufkommen. Der Doctor hatte während seiner Reisen im Orient Gelegenheit gehabt, die merkwürdigsten Vorgänge zu verfolgen und diesem Zweige der physiologischen Wissenschaft einen reichen Beitrag von neuen Beobachtungen zugewendet. Er war also in diesen phänomenalen Erscheinungen sehr bewandert und ebenso in den Wirkungen, welche sich aus ihnen ergaben. Selbst mit einer großen Dosis suggestiver Macht begabt, deren Wirkung er in Kleinasien oft erprobt hatte, baute er darauf, mit Hilfe eben dieser Macht sich Carpena’s bemächtigen zu können, da der Zufall ihm gezeigt hatte, daß der Spanier auf den hypnotischen Einfluß reagirte.
    Wenn aber der Doctor in Zukunft Herr über Carpena sein, wenn er ihn handeln lassen wollte, wann und wie es ihm beliebte, dadurch, daß er ihm seinen eigenen Willen einflößte, so war es unumgänglich nothwendig, daß der Gefangene sich frei bewegen konnte, sobald der Augenblick gekommen sein würde, ihn diese oder jene That begehen zu lassen. Zu diesem Zwecke mußte die Vollmacht des Gouverneurs eingeholt werden. Der Doctor hoffte dieselbe von Oberst Guyarre zu erlangen, denn nur auf diese Weise konnte man den Spanier ausgeliefert erhalten.
    Zehn Minuten später langte der Wagen am Eingange zu den großen Kasernen an, welche sich fast an der Grenze der Enclave erheben, und fuhr an der Residenz des Gouverneurs vor.
    Der Gouverneur Guyarre war von der Anwesenheit des Doctors Antekirtt in Ceuta schon unterrichtet. Diese berühmte Persönlichkeit wurde durch den Ruf, den ihm seine Talente und sein Vermögen eintrugen, wie ein auf Reisen befindlicher Herrscher angesehen. Daher empfing der Gouverneur ihn und seinen jungen Genossen Peter, sobald die Fremden in den Empfangssalon geführt worden waren, mit der ausgesuchtesten Höflichkeit. Vor allen Dingen stellte er sich ihnen, behufs Besichtigung der Enclave, dieses kleinen Stückchens von Spanien, das so glücklich in das marokkanische Gebiet hineingeschoben ist, völlig zur Verfügung.
    »Wir nehmen Ihr freundliches Anerbieten gern an, Herr Gouverneur, antwortete der Doctor auf spanisch, welche Sprache Peter ebenso beherrschte und sprach, wie der Doctor selbst. Doch ich fürchte, wir werden nicht die Zeit haben, ihre Liebenswürdigkeit in Anspruch zu nehmen.
    – Ich bitte, Herr Doctor, unsere Kolonie ist nicht sehr groß, antwortete der Gouverneur. In einem halben Tage ist die Rundfahrt beendet. Gedenken Sie

Weitere Kostenlose Bücher