Mathias Sandorf
Glück!«
»Was gibt es hier?« fragte der Gouverneur. (S. 407.)
Die Herren verließen ihren Wagen und der Doctor näherte sich dem Verurtheilten, der noch auf der Böschung der Straße lag. Das Leben zeigte sich bei diesem fest eingeschlafenen Menschen nur durch einen etwas keuchenden Athem und das lebhafte Schlagen des Pulses.
Es waren Sarcany und Namir. (S. 412.)
Der Doctor ließ die Umstehenden etwas zurücktreten. Er beugte sich über den trägen Körper, sprach leise zu ihm und betrachtete ihn andauernd, als wollte er eine seiner eigenen Willensäußerungen auf des Spaniers Gehirn übertragen.
Dann erhob er sich und sagte:
»Es hat nichts zu bedeuten. Der Mann ist ganz einfach in einen magnetischen Schlaf verfallen.
– Ah, wirklich? sagte der Gouverneur. Das ist allerdings sehr sonderbar. Und können Sie ihn diesem Schlafe entreißen?
– Nichts leichter als das,« antwortete der Doctor.
Er berührte die Stirn Carpena’s, hob leicht dessen Augenlider empor und sagte:
»Wacht auf!… Ich will es!«
Carpena bewegte sich, öffnete die Augen, blieb aber in dem schläfrigen Zustande. Der Doctor strich mehrere Male und in schräger Richtung mit der Hand vor dem Gesicht des Spaniers vorbei, um die Schlafsucht zu vertreiben und nach und nach entflog die Betäubung, Carpena erhob sich und ohne das Bewußtsein dessen zu haben, was vorgegangen war, begab er sich wieder in die Reihe seiner Genossen zurück. Der Gouverneur, der Doctor und Peter Bathory bestiegen wieder den Wagen, der seine Fahrt zur Stadt fortsetzte.
»Meinen Sie nicht, fragte der Gouverneur, daß der Spitzbube etwas getrunken hat?
– Ich glaube nicht, antwortete der Doctor. Die Erscheinung sah durchaus nach Somnambulismus aus.
– Doch durch was mag sie hervorgebracht worden sein?
– Darauf kann ich beim besten Willen nichts erwidern, Herr Gouverneur. Vielleicht neigt der Mann zu solchen Zufällen? Jetzt ist er wieder auf den Beinen und vorläufig wird der Anfall nicht wiederkommen.«
Der Wagen langte bald an den Wällen an; er fuhr in die Stadt hinein, dann in schräger Richtung durch dieselbe und hielt schließlich auf einem kleinen Platze, der die Einschissungsquais beherrscht. Der Doctor und der Gouverneur nahmen in herzlichster Weise von einander Abschied.
»Da liegt der »Ferrato«, sagte der Doctor und zeigte auf die Dampf-Yacht, welche sich in den Wellen graziös wiegte. Sie werden doch nicht vergessen, daß Sie mir versprochen haben, am Sonntag bei mir an Bord zu frühstücken?
– Ebenso wenig als hoffentlich Sie, lieber Herr Doctor Antekirtt, vergessen haben, daß Sie am Sonntag in meiner Residenz speisen wollen.
– Ich werde nicht ermangeln.«
Sie trennten sich und der Gouverneur verließ den Quai erst, nachdem er das Boot, welches die Reisenden ihrem Schiffe zuführte, hatte abstoßen sehen.
Unterwegs sagte der Doctor zu Peter, der ihn fragte, ob Alles nach seinem Wunsch verlaufen wäre:
»Ja!… Sonntag Abend soll Carpena mit Erlaubniß des Gouverneurs an Bord des »Ferrato« sein!«
Um acht Uhr verließ die Dampf-Yacht ihren Ankerplatz; sie dampfte nordwärts und bald war der Berg Hacho, der diesen Theil der marokkanischen Küste überragt, in den Abendnebeln verschwunden.
Zweites Capitel.
Ein Experiment des Doctors.
Der Passagier, dem man nichts über die Bestimmung des Schiffes, welches ihn trägt, gesagt hat, ahnt nicht, auf welchen Punkt der Erdkugel er den Fuß setzt, wenn er in Gibraltar landet.
Zuerst erblickt man den von vielen kleinen Häfen, in welchen die Schiffe anlegen können, durchbrochenen Quai, dann die Bastion einer Wallmauer, in welche ein Thor, das keinen besonderen Charakter trägt, eingelassen ist, sodann einen unregelmäßigen Platz, der von hohen, sich an die Anhöhen lehnenden Kasernen eingefaßt ist, schließlich ein Stückchen einer langen, schmalen gekrümmten Straße, welche den Namen Main-Street führt.
Am Ausgange dieser Straße, deren Pflaster bei jeder Witterung feucht bleibt, inmitten von Lastträgern, Schmugglern, Stiefelwichsern, Cigarren-und Wachsstreichhölzchenverkäufern, zwischen den Sturzkarren, Blockwagen, und den mit Früchten und Feldfrüchten beladenen Karren hindurch kommen und gehen in einem kosmopolitischen Durcheinander Malteser, Marokkaner, Spanier, Italiener, Araber, Franzosen, Portugiesen, Deutsche – Vertreter fast eines jeden Völkerstammes, sogar Bürger der Vereinigten Staaten, die ganz besonders kenntlich sind an den rothen Wämsern
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