Mathias Sandorf
will Sie nicht mehr sehen!… Ich will nicht mehr…
– Uns trennen?… Und warum!… Sie werden mir folgen, Silas!… Morgen verlassen wir Monaco!… Wir haben noch genügend Geld, um Tetuan zu erreichen, und dort werden wir unser Werk vollenden!
– Nein, Nein!… Lassen Sie mich, Sarcany, lassen Sie mich!« erwiderte Silas Toronthal.
Und er stieß ihn heftig von sich, als jener ihn anfassen wollte. Dann schritt er so schnell weiter, daß Sarcany ihn kaum einzuholen vermochte. Dessen unbewußt, was er that, riskirte Silas Toronthal, in die reißenden Gießbäche zu stürzen, oberhalb deren sich das Netz der Fußpfade entwickelt. Ein einziger Gedanke beherrschte und quälte ihn unaufhörlich: Monte Carlo zu fliehen, wo sein Ruin sich vollzogen hatte, Sarcany zu fliehen, dessen Rathschläge ihn in den Abgrund geführt, mit einem Worte, zu fliehen, dem Zufalle nach, ohne Ziel und Zweck, ohne zu wissen, wohin und was aus ihm werden würde.
Sarcany fühlte wohl, daß, wenn er nicht mehr Vernunft besäße als sein Genosse, dieser ihm entschlüpfen würde. Ja, wenn der Banquier nicht Kenntniß von den Geheimnissen gehabt hätte, die ihn verderben oder wenigstens unheilbar dies letzte Spiel, welches er noch spielen wollte, vereiteln konnten, so hätte er sich wenig Sorgen um den Mann gemacht, den er an den Rand des Verderbens gebracht hatte. Doch ehe Silas Toronthal ganz hineinstürzte, konnte er einen letzten Schrei ausstoßen und dieser Schrei war es, den Sarcany ersticken mußte.
Von dem Gedanken an das Verbrechen, das zu begehen er entschlossen war, bis zu dessen unmittelbarer Ausführung war nur ein Schritt und diesen Schritt zögerte Sarcany nicht zu gehen. Was er eigentlich auf der Landstraße von Tetuan thun wollte, in der Einsamkeit der marokkanischen Landschaft, hinderte Niemand ihn noch in dieser Nacht zu thun, sobald die Anlagen erst von den Besuchern verlassen worden waren.
Doch zu dieser Stunde gab es noch zwischen Monte Carlo und der Turbie Nachzügler, welche die Rampen hinauf oder hinunter stiegen. Ein Schrei von Silas Toronthal hätte sie zu seiner Hilfe herbeilocken können, der Mörder aber wollte, daß der Todtschlag unter solchen Umständen vor sich ginge, die Niemand verdächtigen konnten. Daher der Zwang, warten zu müssen. Weiter oben, jenseits der Turbie und der Grenze des Reiches von Monaco, auf der Straße der Corniche, welche in einer Höhe von zweitausend Meter in die Seitenwände der untersten Absätze der Seealpen eingehauen ist, konnte Sarcany sein Vorhaben mit voller Sicherheit ausführen. Wer hätte da seinem Opfer zu Hilfe kommen sollen? Wie hätte man den Leichnam von Silas Toronthal auf dem Grunde der Schluchten, welche die Straße eingrenzen, auffinden können?
Sarcany wollte indessen erst noch einmal versuchen, seinen Genossen aufzuhalten und ihn nach Monte Carlo zurückzuführen.
»Komm, Silas, komm, rief er und ergriff dessen Arm. Morgen fangen wir noch einmal an!… Ich besitze noch etwas Geld!…
– Nein!… Lassen Sie mich… lassen Sie mich!…« rief Silas Toronthal in einem letzten Wuthanfalle.
Wenn er stark genug gewesen wäre, sich mit Sarcany in einen Kampf einzulassen, wenn er Waffen bei sich gehabt hätte, würde er gewiß nicht gezögert haben, Rache für alles Unheil zu nehmen, welches sein einstiger Makler in Tripolis über ihn gebracht hatte.
Silas Toronthal stieß mit der einen Hand, welcher der Zorn Stärke verlieh, Sarcany zurück; dann wendete er sich der letzten Krümmung des Pfades zu und überschritt einige Stufen, die zwischen kleinen, etagenförmig angelegten Gärten, in roher Manier in den Fels gehauen waren. Bald hatte er die Hauptstraße der Turbie erreicht, die über den schmalen Paß führt, welcher den Hundskopf vom Rumpf des Berges Agal trennt, die einstige Grenze zwischen Italien und Frankreich.
»Geh’ nur, Silas, rief Sarcany nochmals. Geh’ nur, Du wirst nicht weit kommen!«
Er warf sich nach rechts, überkletterte einen niedrigen Steinwall, durchschritt flink einen Treppengarten und eilte dann schnell fort, um Silas Toronthal auf der Straße vorauszukommen. Pointe Pescade und Kap Matifu hatten, obwohl sie von der Unterhaltung nichts verstehen konnten, gesehen, wie der Banquier Sarcany heftig zurückstieß und Sarcany im Dunkel verschwand.
»Der Teufel hat seine Hand im Spiel! rief Pointe Pescade. Der Beste entwischt uns wahrscheinlich… Es fehlt nicht viel und der Andere macht es ebenso!… Jedenfalls ist auch Toronthal eine
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