Mathias Sandorf
Gern!«
Silas Toronthal hatte kaum das Bewußtsein von dem, was hier vorging und wagte daher nicht den geringsten Widerstand. Pointe Pescade schlug einen ziemlich abschüssigen Fußpfad ein, der zum Ufer hinab, an dem Abgrunde herum führte, und wurde von Kap Matifu gefolgt, der den trägen Körper des Banquiers bald zog, bald schleppte.
Das Herniedersteigen war ein höchst mühseliges und ohne die wunderbare Geschicklichkeit Pointe Pescade’s, ohne die außerordentliche Kraft seines Genossen, hätten Beide im Umsehen einen tödtlichen Sturz erleiden können.
Nachdem sie gewiß zwanzig Mal ihr Leben auf’s Spiel gesetzt hatten, langten sie endlich glücklich bei den letzten, schon im Niveau des Meeres liegenden Klippen an. Dort wird das Ufer von einer Reihenfolge von kleinen Buchten gebildet, welche von der Natur willkürlich in die Sandsteinmasse hineingetrieben worden sind. Sie werden von hohen röthlichen Felswänden umrahmt und von eisenhaltigen Klippen eingeschlossen, so daß sie kleinen, mit Blut gefärbten Uferseen gleichen.
Der Tag begann schon heraufzudämmern, als Pointe Pescade eine Höhle im Innern einer dieser Einbuchtungen fand, welche die Brandung zur Zeit der geologischen Bewegungen geschaffen haben mag. In dieser konnte man Silas Toronthal bergen und Kap Matifu bei ihm als Wache bleiben.
»Du wirst hier bleiben und auf mich warten, Kap, sagte Pointe Pescade zu dem Riesen.
– So lange es nöthig sein wird, Pointe Pescade.
– Selbst zwölf Stunden, wenn ich so lange fortbleiben muß?
– Selbst zwölf Stunden.
– Ohne zu essen?
– Wenn ich heute Früh auch nicht frühstücken kann, so werde ich doch zu Mittag speisen können. – Dann für Zwei.
– Und solltest Du selbst nicht für Zwei zu Mittag essen können, dann magst Du für Vier das Abendbrod genießen.«
Kap Matifu ließ sich auf einem Felsen nieder, so zwar, daß er seinen Gefangenen stets vor Augen hatte. Pointe Pescade ging an den Rändern der verschiedenen Buchten entlang, bis er Monaco vor sich hatte.
Er sollte weniger Zeit zu seiner Rückkehr gebrauchen, als er geglaubt hatte. In knapp zwei Stunden hatte er den »Electric« wiedergefunden, der auf einer der verlassenen Rheden ankerte, welche die Brandung gegen die Wogen der offenen See stützt. Eine Stunde später langte das Eilschiff vor der schmalen Bucht an, an welcher Kap Matifu, vom Meere aus gesehen, wie der mythologische Proteus auftauchte, die Heerden Neptun’s hütend. Einen Augenblick später waren Silas Toronthal und Kap Matifu an Bord. Weder die Zollwächter noch die Fischer der Küste hatten den »Electric« bemerkt, der mit Entwickelung seiner größten Schnelligkeit die Richtung nach Antekirtta einschlug.
Fünftes Capitel.
Durch die Güte Gottes.
Es sei jetzt erlaubt, einen umfassenden Einblick in die Kolonie Antekirtta zu nehmen.
Silas Toronthal und Carpena befanden sich jetzt in den Händen des Doctors und dieser zögerte nicht, die Spuren Sarcany’s zu verfolgen. Seine mit dem Auffinden von Frau Bathory betrauten Agenten hörten nicht auf, ihre Nachforschungen fortzusetzen – bis jetzt waren diese indessen von keinem Erfolge begleitet gewesen. Seit die Mutter verschwunden, deren einzige Stütze der alte Borik war, kam es alle Augenblicke wie Verzweiflung über Peter; welchen Trost hätte auch der Doctor diesem zweimal gebrochenen Herzen spenden können? Wenn Peter mit ihm von seiner Mutter sprach, mußte der Doctor da nicht fühlen, daß Peter auch gleichzeitig an Sarah dachte, wenn auch ihr Name zwischen ihnen nicht ausgesprochen wurde?
In der kleinen Hauptstadt der Kolonie Antekirtta, nicht weit vom Stadthause, bewohnte Maria Ferrato eines der zierlichsten Häuser von Artenak. Die Erkenntlichkeit des Doctors wollte, daß sie hier alle Annehmlichkeiten, die das Leben bieten kann, genoß. Ihr Bruder wohnte mit ihr zusammen, wenn er sich nicht gerade auf der See behufs eines Transportes oder einer Ueberwachung befand. Nicht ein Tag verging, ohne daß die Geschwister nicht dem Doctor einen Besuch abgestattet hätten, oder daß dieser nicht zu ihnen gekommen wäre. Seine Neigung zu den Kindern des Fischers von Rovigno wuchs, je genauer und besser er sie kennen lernte.
Kap Matifu ließ sich auf einem Felsen nieder. (S. 463.)
»Wie glücklich könnten wir sein, wiederholte oft Maria, wenn Peter es wäre.
– Er wird es sein, pflegte Luigi zu antworten, sobald er eines Tages seine Mutter wiedergefunden haben wird. Ich habe nicht alle
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