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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verfolgte und verwundete mehrere Menschen und würde ohne die Dazwischenkunft Kap Matifu’s noch größeres Unheil angerichtet haben. Kap Matifu ging dem Thiere entgegen und erwartete es mit fest eingestemmtem Fuße. In demselben Augenblicke, als sich die Bestie mit gesenktem Haupte auf ihn stürzte, ergriff er sie bei den Hörnern, legte sie mit einem Ruck seiner Muskeln auf den Rücken und hielt sie in dieser Lage, mit den vier Hufen nach oben, so lange fest, bis der Zorn des Thieres sich gelegt hatte und es Niemandem mehr schaden konnte.
    Noch andere Beispiele dieser übermenschlichen Kraft ließen sich anführen, doch genügen diese, um nicht nur die Stärke Kap Matifu’s darzuthun, sondern auch seinen Muth und seine Opferwilligkeit; denn er zögerte niemals, sein Leben zu wagen, wenn es sich darum handelte, seinen Mitmenschen zu Hilfe zu kommen. Er war ein ebenso gutmüthiges als starkes Geschöpf. Wie Pointe Pescade es mehrfach wiederholt hatte, war es also durchaus nothwendig, daß Kap Matifu aß, um nichts von seinen Kräften einzubüßen; er zwang ihn zu essen und entbehrte lieber selbst, wenn das Geld nur für Einen oder selbst für Zwei reichte. An jenem Abend aber war am Horizont noch kein Schimmer von einer Mahlzeit, nicht einmal für Einen, zu entdecken.
    »Wir bekommen Nebel,« wiederholte Pointe Pescade.
    Und um ihn zu zerstreuen, begann der muthige Junge mit seinen Redensarten und Gesichtsverrenkungen von Neuem. Er durchmaß das Gerüst, er zappelte sich ab, er zerrte seine Glieder auseinander, ging auf den Händen, wenn es ihm nicht mehr behagte, auf seinen Füßen zu stehen – er hatte nämlich die Beobachtung gemacht, daß der Hunger weniger fühlbar war, wenn der Kopf nach unten hing. Er schrie in halb provençalischer, halb slavischer Sprache jene ewigen Paraderedensarten in die Menge, die überall gang und gäbe sind, wo es einen Clown gibt, welcher sie den Leuten vorplappert und Maulaffen, die sie gern hören.
    »Immer herein, herein, meine Herrschaften! schrie Pointe Pescade. Man zahlt erst beim Herausgehen… einen Kreuzer nur die Person!«
    Wenn Menschen irgendwo herausgehen sollen, müssen sie naturgemäß zuvor erst hineingegangen sein. Fünf bis sechs Personen blieben wohl vor der bemalten Leinwand stehen, doch Keiner entschloß sich, die kleine Arena zu betreten.
    Pescade tippte mit einer schlanken Gerte auf die wilden Thiere, die auf die Leinwand gepinselt waren. Er hätte zwar keine Menagerie den geehrten Herrschaften zu bieten, doch wollte er ihnen nur sagen, daß diese schrecklichen Thiere wahr und wahrhaftig in gewissen Ecken Afrikas und Indiens leben und daß sie, wenn sie Kap Matifu in den Weg kämen, von ihm einfach zu einer Mahlzeit verarbeitet werden würden.
    Der Hercules unterbrach mit dem gutmüthigsten Gesicht von der Welt diese Marktschreierei durch gelegentliche Schläge auf die große Pauke, die wie Kanonenschläge durch das Meßgewühl hallten.
    »Hier die Hyäne, meine Herrschaften, gebürtig vom Kap der guten Hoffnung, ein gewandtes und blutdürstiges Thier, es überspringt die Kirchhofsmauern und sucht sich die Leichen zum Fraß!«
    Dann wies er auf einen anderen Theil der Leinwand, auf dem gelbliches Wasser und blaue Blumen den Hintergrund abgaben.
    »Sehen Sie hier das junge und interessante Rhinoceros, fünfzehn Monate alt! Es wurde auf Sumatra erzogen; während der Ueberfahrt hätte es mit seinem furchtbaren Horn das Schiff beinahe zum Sinken gebracht.«
    Die Gerte klatschte an eine andere Stelle, wo inmitten eines grünlichen Flecks die Reste von menschlichen Gerippen lagen:
     

    »Immer herein, meine Herrschaften, man zahlt erst beim Herausgehen!« (S. 168.)
     
    »Hier, meine Herrschaften, ist ferner zu sehen der schreckliche Löwe vom Atlas! Er haust im Innern der Sahara, in dem heißen Sande der Wüste. Wenn die Hitze mörderisch wird, zieht er sich in die Höhlen zurück. Wenn er einige Tropfen Wassers findet, stürzt er sich auf sie und geht durchnäßt ab. Deshalb nennt man ihn auch den numidischen Löwen!«
    Diese vielen Anstrengungen nützten indessen nichts, Pointe Pescade ereiferte sich ganz unnöthig. Vergebens schlug Kap Matifu bis zur Verzweiflung auf die große Pauke.
    Mehrere Dalmatiner, kräftige Bergbewohner, blieben endlich vor dem Riesen Matifu stehen, den sie als Kenner zu betrachten schienen.
    Sofort ergriff Pointe Pescade die Gelegenheit, und reizte diese Leute, sich mit Kap zu messen.
    »Herein, meine Herren, herein! Die Gelegenheit

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